John,
Wenn du Preisperformance als Indikator für Euphorie (Verzweiflung) nimmst - was Du offenbar tust - stellt sich zwangsläufig die Frage, welchen Startpunkt Du für den Vergleich heranziehst:
Den letzten signifikanten Boden (Bei Aktien März 2009) oder das letzte signifikante Top (Aktien Mitte 2007)?
Weiterhin KGV, das Du erwähnst. Einverstanden, Das KGV liegt im langjährigen Durchschnitt bei 14.5. Es erreicht manchmal Werte von über 21. Dann beginnen sich Blasen zu bilden. die Blase 2000 ist bei einem KGV von über 40 geplatzt. (1929 bei einem KGV von 29).
In Baissen sinkt das KGV bis auf Werte von 5.6, wobei jedes KGV unter 8 als Einstiegsmöglichkeit gesehen werden kann.
Im Moment liegt im S&P 500 das KGV übrigens bei 19.51:
... Aktien sind also nach KGV nicht mehr billig bzw. nähern sich der Blasen-Grenze von 21.
Allerdings kannst Du demgegenüber zu Recht argumentieren, dass das erwartete KGV vom allgemeinen Zinsniveau abhängig ist. Das durchschnittliche KGV von 14.5 impliziert ja eine Rendite von 6.8%. Das scheint bei einer Teuerung von vielleicht 4-5% ein fairer Wert. Aber in Zeiten niedriger Teuerung von offiziell
Das bedeutet also, dass Aktien zwar kein Schnäppchen mehr sind aber auch nicht überteuert, solange die Teuerung niedrig bleibt.
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Bei Gold haben wir das Problem, dass es kein KGV gibt. Da bleibt nur der Preis. Hier ist Gold insofern ein gutes Beispiel als einerseits - nach Deiner Logik - die Stimmung gut sein müsste, denn schliesslich hat sich der Goldpreis seit dem letzten Boden im Jahr 2000 verfünffacht. Andererseits musst Du nur Medienberichte, Analysteneinschätzungen in der Mainstream-Presse oder Postings hier im Gold-Thread lesen, um zu erfühlen, dass bei den meisten die Stimmung nur unwesentlich über dem Nullpunkt ist. Der Grund dafür, dass die Stimmung so mies ist liegt offenbar darin, dass sich der Goldpreis seit dem Ausgangspunkt 2000 mal ver
-8-facht hatte und nun auf eine Ver
-5-fachung zurückgefallen ist.
Ohne das jetzt abschliessend kommentieren zu wollen, halte ich bisher mal fest, dass es mindestens drei Methoden gibt, um Euphorie zu erkennen:
a) Preisanstieg seit einem zu definierenden Startpunkt (vermutlich seit dem letzten sekulären Tief und unter Berücksichtigung der Zeitachse entsprechend: Prozentualer Anstieg pro Jahr)
b) Aktuelles Marktsentiment, bestimmt aus Positionierung der kommerziellen Trader, Empfehlungen der Banken und Analysten (= Wieviele empfehlen Kauf vs. Verkauf), Put-Call ratio, TRIN
c) KGV, aber nur bei Renditewerten wie Aktien, Anleihen, Immobilien.
... gibt es weitere Indikatoren, Meinungen wie man die Stimmung beschreiben könnte? (= Frage @all)
Meiner Meinung nach ist Euphorie (Verzweiflung) ein Gefühl, das sehr schnell ändern kann:
"Samstag Abend, Ziehung der Lottozahlen ... die Spannung steigt ... eine Zahl nach der anderen stimmt mit meinem Zettel überein ... Hurrah, ich habe 6 Richtige! ... EUPHORIE ... Scheisse, ich hab' den Lottoschein nicht abgegeben ...
Gold hat seinen Mythos als sichern Hafen spätestens mit der Zypernaffäre verloren, der Kurs hat sein Hoch markant unterschritten
Das ist ein ganz interessanter Punkt: Am 12. bzw. 14. April (Freitag und Sonntag) wurden durch Leerverkäufe von Papiergold (= COMEX-Shortcontrakte über die Internet Plattform Globex) 130t + 300t Gold leer verkauft. Das geschah also nicht durch Verkäufe physischen Goldes (also nicht, weil jemand ums verrecken 430t Gold loswerden wollte) sondern rein durch Papierhandel. Und dies wie gesagt zu nacht-schlafender Zeit (3 Uhr morgens in Chicago), wo keine Käufer am Markt waren.
Durch diese Aktion wurden wichtige charttechnische Marken (um $1520) nach unten durchbrochen, das bid aufgekauft und der Preis fiel entsprechend ins Bodenlose bzw. bis an den Punkt, wo Stop-Logic wirksam wurde (Stop-Logic haben wir im Goldthread besprochen, wiederhole ich hier nicht nochmals).
In der Folge hat dieser Initialzünder nach Unten dann im regulären Handel eine Reihe von weiteren Verkäufen ausgelöst. Rund 2200t
Dass diese Papiergold-Basher-Aktion nun den "Mythos Gold" in Deinen Augen zerstört hat, mag ich nicht bezweifeln.
In meinen Augen haben die Ereignisse vom April das, was Du "Mythos" nennst eher noch bestätigt, denn ich frage mich:
1.) Wer hat ein Interesse daran, die 24/7 Plattform Globex dazu zu nutzen, um just zu der Zeit, wo weder Europäer noch Amerikaner oder Asiaten im Markt aktiv sind, mit massiven Verkaufs-Orders auf Papier-Basis den Goldpreis unter wichtige charttechnische Unterstützungslinien zu drücken?
2.) Wem ist Punkt 1 so wichtig, dass er bereit und in der Lage ist, einen Verlust von 1.34 Mrd. Dollar in Kauf zu nehmen? ( ==> 13.4 Mio oz. mit je $100 Verlust pro Unze)
3.) Warum ist es überhaupt möglich, über die COMEX 13.4 Mio Unzen zu verkaufen, wenn die Summe der Lagerbestände (registred) der COMEX nur 2.372 Mio Unzen betragen?
Nun gut, Punkt 3 kann man vergessen. Wir wissen schliesslich, dass der Gold-Papierhandel etwa das hundertfache des physischen Handels ausmacht.
Konzentriert zurück zum Ausgangspunkt lautet also die Frage:
Glaubst Du wirklich, dass ungedeckte Leerverkäufe von Papiergold zu nächtlicher Zeit ausreichen, um den Wert (Mythos) von Gold zu zerstören?
Wenn ja, dann war es richtig von Dir, Dein Gold zu verkaufen.