Ist ja auch eine komplexe Materie das Geld.
Hierzu ein Zitat von John Kenneth Galbraith:
«Der Prozess, mit dem Banken Geld schöpfen, ist so einfach, dass sich der Verstand dagegen wehrt.»
Im Prinzip ist es extrem einfach: Wir haben eine Menge Geld auf der einen Seite und eine Menge Güter auf der anderen Seite. Beide müssen im Gleichgewicht sein und dazu dient der Preis.
Beispiel: Wir haben auf unserer einsamen Insel 1000 Münzen und 100 Kokosnüsse. Dann kostet jede Kokosnuss 10 Münzen. Erhöht sich die Zahl der Kokosnüsse auf 120, kostet jede noch 8.3. Erhöht sich nun auch die Geldmenge auf 1200 haben wir wieder 1200 Münzen/120 Kokosnüsse und somit wieder einen Preis von 10.
Das ist soweit die triviale Basis, die jeder 4. Klässler versteht. Diese Basis dürfen wir nie aus den Augen lassen, wenn's kompliziert zu werden droht!
Kompliziert wird es jetzt, weil wir die Geldmenge von 1000 auf 2000 Münzen verdoppelt haben, die 100 Kokosnüsse aber immer noch 10 und nicht 20 kosten.
Jetzt gibt es verschiedene Szenarien und Erklärungsversuche, warum das so ist.
Die offensichtliche ist, dass 1000 dieser 2000 Münzen offenbar gar nicht Kokosnüsse nachfragen. Diese 1000 schlummern irgend wo vergraben in einem Loch oder in einer Matratze oder auf einer anderen Insel.
Wir wissen nicht, wer diese überschüssigen 1000 Münzen besitzt und was er damit zu tun gedenkt. Das ist ein grosser Unsicherheitsfaktor, denn es bieten sich folgende Szenarien an:
1. Er wird eines Tages seine 1000 Münze gegen Kokosnüsse tauschen wollen. Er könnte somit sämtliche Kokosnüsse unserer Insel aufkaufen und wir hätten nichts mehr zu essen. Natürlich wird das nicht so einfach sein, denn in dem Moment, wo er beginnt, Kokosnüsse zu kaufen wird der Preis steigen: Kauft er z.B. mit 100 Münzen ein, haben wir im Umlauf 1100 Münzen bei 100 Kokosnüssen und der Preis steigt auf 11. Kauft er mit all seinen Münzen auf einmal ein, haben wir 2000 Münzen gg. 100 Kokosnüssen und der Preis verdoppelt sich auf 20.
2. Er mag gar keine Kokosnüsse sondern lieber Fisch. Er geht also auf die Nachbarinsel, tauscht unsere 1000 Münzen gegen 2000 Taler (= Währung der Nachbarinsel) und kauft für diese 2000 Taler Fische. Unsere 1000 Münzen liegen nun im Ausland, was uns auf den ersten Blick nicht interessiert. Nun ist es aber denkbar, dass es auf der Nachbarinsel einen gibt, der lieber Kokosnüsse als Fisch mag und deshalb Taler in unsere Münzen tauscht, zu uns rüber schippert und hier Kokosnüsse kauft. Auch dann bekommen wir Teuerung. Gleich wie im Fall 1.
3. Die 1000 Münzen können in einer Firma im Ausland investiert sein. Die Firma geht Pleite und das Geld ist futsch. Dann sind diese 1000 Münzen wieder vernichtet und stellen keine Gefahr mehr da für die Teuerung auf unserer Insel.
4. Das Problem in Fall 3 dürfte in der Realität sein, dass es sich bei dem, der jetzt 1000 Münzen in den Sand gesetzt hat, um eine Bank handelt. Und zwar um eine Grossbank, die systemrelevant ist. Diese Bank hat Schulden bei Bürgern unserer Insel wie auch bei der Nachbarinsel. Deshalb wird unser Staat flugs 1000 neue Münzen prägen und sie der Bank schenken oder leihen. Wie auch immer, unsere Geldmenge ist jetzt wieder auf dem gefährlichen Niveau der Ausgangslage und je nachdem, ob die Bank ihre Schulden bei unseren Bürgern oder den Bürgern der Nachbarinsel hat, stehen wir nun wieder bei Fall 1 oder Fall 2.
---
Soweit die ganze Problematik auf einfache Szenarien runtergebrochen.
Die grosse Frage ist und bleibt: Werden jene, die diese überschüssigen 1000 Münzen besitzen dereinst diese Münzen in Kokosnüsse tauschen? Entweder direkt (Fall 1) oder indirekt, indem sie etwas ganz anderes dafür kaufen, der neue Besitzer unserer Münzen dafür aber bei uns einkaufen kommt (Fall 2).
Welche Szenarien sind denkbar, dass dieser Jemand beschliesst, bei uns Kokosnüsse zu kaufen? Etwas anderes hat unsere Insel ja nicht zu bieten.
Ist es denkbar, dass diese 1000 Münzen nun für Zeit und Ewigkeit ungenutzt irgend wo schlummern und nie eingesetzt werden? Oder werden sie dereinst doch gegen Kokosnüsse getauscht? Denn dafür sind sie ja da.
Die Geschichte lehrt uns, dass diese Münzen irgendwann immer gegen Güter eingetauscht werden. In der Vergangenheit war das immer der Fall. Bisher nur noch nicht in Japan. Dort schlummert das überschüssige Geld seit über 20 Jahren bzw. wurde im Ausland angelegt.
Münzen sind unsere einzige Währung, Kokosnüsse unser einziges Produkt. Die Münzen haben nur den einen Sinn und Zweck, heute oder in Zukunft dafür bei uns Kokosnüsse zu kaufen. Für etwas anderes taugen sie schlussendlich nicht. Alles was dazwischen liegt, mal beliebig kompliziert sein (Tausch in Fremdwährung, Kauf anderer Waren etc. etc.) aber schlussendlich landen die Münzen immer in der Hand von jemandem, der Kokosnüsse kaufen will.
In der Konsequenz kann man ihn nur weiter gehen. Eine freiwillige Aufgabe ist meiner Meinung nach in Demokratien nicht durchführbar, da wie im Zitat erwähnt, dies eine Krise auslösen würde.
Ich bestreite ganz vehement, dass ein Schuldenschnitt, eine Währungsreform der Wirtschaft nachhaltig schaden würde!
Unsere Insel produziert Kokosnüsse und davon leben ihre Bewohner. Punkt!
So lange die Produktion konstant bleibt und sich die Bevölkerungszahl nicht ändert, haben immer alle genug zu futtern.
Ob jetzt diese Kokosnüsse in Münzen gehandelt werden, in Talern, Gulden oder Dukaten und ob eine Kokosnuss 1, 10 oder 100 Währungseinheiten kostet ist schlussendlich völlig bedeutungslos.
Unangenehm wird es für jene Leute, die Münzen gehortet haben, um sich später davon Kokosnüsse kaufen zu können. Das Geld ist ja auch Wertaufbewahrungsmittel. Ein Anspruch auf Kokosnüsse in der Zukunft.
Das betrifft dann nicht nur die Banken und die Reichen sondern auch Rentner, die ja, wenn Geld vernichtet wird, ihre Rentenansprüche verlieren.
Hier liegt es nun am Staat, dafür zu sorgen, dass die Kokosnüsse auch nach einem Währungskollaps weiterhin gerecht verteilt werden. Dass also die Rentner schadlos und nur die Banken und Reichen geschädigt aus der Krise hervorgehen.
Anders ausgedrückt: Der Staat muss sicherstellen, dass jeder so viele Kokosnüsse bekommt, wie er zum Leben braucht. Wer einst viele Münzen hatte und somit theoretisch einen Vorrat von einer Jahresproduktion Kokosnüssen hätte kaufen können, muss entsprechend zurückkrebsen.
Kein Politiker wird also sowas durchsetzen können. ... Die Schulden abschreiben, wäre der Bankrot des Systems.
Demokratisch wäre das durchaus durchsetzbar. Alleine deshalb, weil 80% der Bevölkerung davon einen Vorteil hätten und nur 10% geschädigt würden. (die restlichen 10% des zweitreichsten Dezils sind diesbezüglich neutral). Die Hürde besteht darin, dass jene 10%, die verlieren würden im Moment am lautesten schreien und auch die Medien kontrollieren. Deshalb wird uns immer um die Ohren gehauen, wie katastrophal es doch für die Wirtschaft, für das ganze Land wäre, wenn die Banken verlieren würden.
Sobald also mehr als 50% der Menschen verstanden haben, dass ein Systemreset zu ihrem Vorteil und nicht zu ihrem Nachteil wäre, ist so ein Reset demokratisch machbar.
Das Ersuchen von Bankern, die sich verspekuliert haben, um einen Bailout ist übrigens nicht neu:
Als 1637 die Tulpenzwiebel-Blase in Holland platzte, sind die Spekulanten und Banker zum Staat gerannt und wollten einen Bailout.
Begründung damals wie heute: Wenn wir das Geld nicht kriegen, wird es zum wirtschaftlichen Zusammenbruch Mitteleuropas (nicht nur Hollands!) kommen.
Die Regierung hat zwei Tage über das Ansinnen nachgedacht und danach folgende Regierungserklärung verfasst:
Die Tulpenzwiebel-Spekulationen sind in einer Art Fieber zustande gekommen, also im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit. Bei Spielsucht ist aber nicht der Staat zuständig, sondern der Arzt.
Die Banker haben nichts bekommen und viele haben das einzig richtige getan: Sie haben sich vor die nächste Pferdekutsche gestürzt.
Der Wirtschaft hat es überhaupt nicht geschadet. Es gab ja noch genügend seriöse Banker, die überlebt hatten und dass einige Banker ihr ganzes Vermögen verloren hatten, war für die Wirtschaft als Ganzes irrelevant.