Ich mag den alten Herrn :greespan: :spitze:
[SIZE= px]ETF-Erfinder Bogle: "Der Grund liegt in der Dummheit"[/SIZE]
John Bogle, der Erfinder der Indexfonds und Vanguard-Gründer, äußert sich exklusiv in €uro am Sonntag zu Anlagestrategien und Renditechancen.
[SIZE= px]von Tim Schäfer, Euro am Sonntag [/SIZE]
John Bogle, der vergangenen Donnerstag seinen 84. Geburtstag feierte, ist ein Kind der Weltwirtschaftskrise. "Ich hasse es, Geld auszugeben", sagt er. Mittags isst er Brot mit Erdnussbutter und Marmelade obendrauf. Er reist per Zug, Luxusgüter wie eine Yacht lehnt er ab. Er könne nicht mal die Mannschaft an Bord für einen Tag bezahlen, scherzt er. Er habe auch keine Ski-Lounge in Vail. "Ich bin eine ganz normale Person." Sein Hang zur Sparsamkeit kommt Anlegern zugute. Er erfand in den 70er-Jahren Indexfonds für Privatanleger, Grundlage für die heutigen Exchange Traded Funds (ETFs), die bestimmte Aktien- und Anleiheindizes kostengünstig abbilden. €uro am Sonntag sprach mit Bogle im Museum of American Finance an der Wall Street.
Seine Karriere: Nach dem Hochschulabschluss bei Princeton ging John Bogle die Karriereleiter beim Fonds Wellington schnell hinauf. Nach einer misslungenen Übernahme verlor er seinen Job. Er gründete 1974 Vanguard, das einem genossenschaftlichen Konzept folgt. Das primäre Ziel der Fondsgesellschaft ist eben nicht die Gewinnmaximierung. Kostengünstige Indexfonds sind seither Bogles Steckenpferd.
Bogle hält Indexfonds wegen der niedrigen Kosten gegenüber aktiv gemanagten Fonds für überlegen. 2,5 Billionen Dollar verwaltet Vanguard heute.
Gründer, Erfinder und Gigant
Nach dem Hochschulabschluss in Princeton 1951 machte John Bogle Karriere bei der Fondsgesellschaft Wellington. Nach einer misslungenen Übernahme verlor er seinen Job. Er gründete 1974 die Fondsgesellschaft Vanguard, die heute dank Einführung kostengünstiger Indexfonds 2,5 Billionen US-Dollar verwaltet. Bogle, Autor von Investmentbüchern, zählt laut US-Zeitschrift "Fortune" in der Investmentbranche zu den vier "Giganten des 20. Jahrhunderts".
Vor 18 Jahren erhielt er nach sechs Herzinfarkten ein neues Herz. 23 Tabletten muss der 84-jährige täglich nehmen, damit das Transplantat nicht abgestoßen wird. Er hat sechs Kinder und zwölf Enkelkinder.
€uro am Sonntag: Wie kamen Sie bei Vanguard auf die Idee, auf Indexfonds zu setzen?
John Bogle: Bei Vanguard schafften wir früh, genauer gesagt ab Februar 1977, alle Vertriebsaufschläge ab. Wir wollten unsere Angebote nicht mehr in den Markt drücken, sondern diese speziell auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Investoren ausrichten. Beim Indexfonds bleibt das Geld größtenteils beim Anleger, Sie können nicht viel Gebühr für einen Indexfonds verlangen. Wir bei Vanguard sind damals auf die richtige Seite gewechselt. Inzwischen haben Indexfonds weltweit viele Anhänger gefunden.
Warum sollte ich als Anleger denn nicht einfach starke Einzelunternehmen wie Procter & Gamble, Colgate oder Walt Disney kaufen?
Firmen kommen und gehen. Sie können drei oder vier herauspicken, zum Beispiel jene, die sie genannt haben. Die Frage stellt sich, ob diese in Jahrzehnten noch hier sind, wenn Sie in Rente gehen. Wir haben ein wunderschönes Beispiel mit Eastman Kodak, das einmal ein großartiges US-Unternehmen war und heute nur noch ein Schatten seiner selbst ist.
Was raten Sie?
Besser ist es, alle großartigen und alle nicht so großartigen Unternehmen zusammen zu kaufen. Denn die nicht so großartigen Firmen von heute sind vielleicht die großartigen Firmen von morgen. Und wer einen breiten US-Aktienindex kauft, wettet auf das Unternehmertum in Amerika insgesamt, und nicht auf einen bestimmten Sektor oder eine Firma. Das reduziert das Risiko erheblich.
Andererseits gibt es aber Fondsmanager wie Peter Lynch, die dank guter Titelauswahl lange viel besser als breite Indizes abgeschnitten haben.
Ein großes Problem ist aber, dass Manager kommen und gehen. Seit Lynch den Fidelity-Magellan-Fonds verlassen hat, müssen die Investoren mit einer mittelmäßigen Wertentwicklung leben. Und es gibt ein weiteres Problem.
Welches?
Es gibt Leute, die werfen beim Münzwurf zehnmal nacheinander Kopf. Sie behaupten anschließend, Genies zu sein. Es könnte aber auch ein Orang-Utan sein, der zehnmal hintereinander Kopf wirft. Würden wir sagen, der Affe ist ein Genie? Nein, es gibt keinen Grund dafür. Wenn Sie im Umkehrschluss auf Vermögensverwalter schauen, ist ganz klar, dass Glück eine große Rolle spielt und das Können eine kleine.
Dennoch: Auch aktiv gemanagte Fonds können doch durchaus langfristig Werte schaffen.
Es geht aber darum, zu bekommen, was Ihnen der Aktienmarkt bietet. Wenn Sie annehmen, die Börse steigt um sieben Prozent, dann gibt Ihnen der Indexfonds 6,95 Prozent. Bei einem durchschnittlichen Fonds erhalten Sie aber wegen der höheren Kosten gerade mal fünf Prozent. Jetzt sagen Sie, man soll mit den fünf Prozent zufrieden sein, obwohl sieben Prozent zu bekommen sind?
Und diese Argumentation zieht?
Ja. Allein in den vergangenen fünf bis sechs Jahren zogen Kunden in den USA 400 Milliarden aus aktiven Fonds ab und legten 600 Milliarden Dollar in den Indexfonds an. Insgesamt flossen den Indexfonds eine Billion Dollar zu, das ist beachtlich.
Auf der einen Seite werden Indexfonds immer populärer, auf der anderen Seite wird immer mehr spekuliert. Haben Sie eine Erklärung?
Ich glaube, der Grund liegt in der Dummheit der Anleger und der Gier des Finanzmarkts. Ein Finanzsystem, das einen geringen Umschlag an Aktien hat, ist nicht sehr profitabel. Ein Finanzsystem, das einen hohen Umschlag an Aktien hat, ist sehr profitabel. So existiert ein Zielkonflikt zwischen den Interessen der Anleger und denen der Finanzmarktakteure. Das ist unbestritten.
Wie kommt es dazu?
Ziehen wir einen Kreis. Alle Aktionäre Amerikas sind darin. 30 Prozent des Kreises trennen Sie ab. Das sind die Indexbesitzer, sie sind organisiert und diszipliniert. Die anderen 70 Prozent traden Aktien untereinander. Es ist unmöglich, dass die 70 Prozent mehr Rendite erzielen als die 30 Prozent. Denn die Indexbesitzer bekommen die Marktrendite minus fünf Basispunkte, die anderen 70 Prozent kriegen die Marktrendite minus 200 Basispunkte. Niemand würde behaupten: "Je öfter du Aktien tradest, desto besser wirst du abschneiden." Aber wir haben ein System, in dem Nichtstun sehr unangenehm für Finanzberater und Broker ist. Ein Berater, der keinen Umsatz für einen Monat hat, verdient nichts. Er muss daher traten.
Unternehmen brauchen aber die Börse , um sich weiterhin Kapital zu beschaffen.
Es wird behauptet, die Funktion der Wall Street sei, Geld zum besten Einsatzort fließen zu lassen, zu den profitabelsten, innovativsten, wachstumsstärksten Firmen der Zukunft. Das ist richtig. Denken Sie aber über die Dimensionen nach. Seit fünf Jahren lenkt die Wall Street ungefähr 250 Milliarden Dollar jährlich in frisches Aktienkapital, eben in Börsengänge, Kapitalerhöhungen. Wie viel Geld fließt ins Trading? 30 Billionen Dollar jährlich. Also kommen 0,8 Prozent der eigentlichen Funktion der Wall Street zu. 99,2 Prozent gehen ins Trading, was großartig für die Wall Street ist, aber nicht für Anleger.
Wie sollen Anleger mit Indexfonds fürs Alter vorsorgen?
Sie sollten am besten regelmäßig investieren. Und beobachten Sie die Börse nicht. Damit schalten Sie das typische Anlegerverhalten aus. Denn fallen die Kurse an der Börse, investieren Anleger in der Regel nichts. Dabei ist das genau der Zeitpunkt, zu dem Sie investieren sollten. Also kaufen Sie besser regelmäßig. Zudem sollte ein Anleiheindexfonds Teil des Portfolios sein, um die Rendite zu stabilisieren. Je älter Sie werden, umso größer sollte der Anteil der Anleihen im Depot sein.
Was für eine Rendite dürfen denn Anleger von der Börse erwarten?
Die langfristige Rendite am Aktienmarkt beträgt neun Prozent. Sie setzt sich grob zusammen aus 4,5 Prozent Dividendenrendite und 4,5 Prozent Gewinnwachstum. Ich kann mir mittelfristig aber sieben Prozent an der Börse vorstellen.
Warum nur sieben Prozent, wenn bislang neun Prozent zusammengekommen sind?
Weil die Dividendenrendite derzeit nicht bei 4,5 Prozent, sondern eher bei zwei Prozent liegt. Mit etwas Glück können wir aber mit fünf Prozent Gewinnwachstum rechnen. Das ergibt dann jene sieben Prozent Rendite, von denen ich spreche.
Es besteht aber Hoffnung auf Dividendensteigerungen, schließlich schwimmen die Firmen in Geld.
Ich bin mir da aber nicht so sicher. Denn Unternehmen haben viele Verpflichtungen. Zudem erhalten die Firmen keinerlei Rendite für ihre Barmittel, weil die Zinsen niedrig sind. Und ich glaube, die Profite können nicht weiter gesteigert werden. Es gibt Charts, die zeigen die Unternehmensgewinne auf einem Allzeithoch, die Löhne auf einem Allzeittief. Da stellt sich die Frage, ob das soziale Folgen hat. Gewerkschaften dürften daher künftig stärker ihren fairen Anteil an den Gewinnen verlangen.