[SIZE= px]Grosse, unerwartete Auslagen im Rahmen der Sockel-Überschuss-Methode[/SIZE]
In der Sockel-Überschuss-Methode sind einige wenige Regeln zu befolgen um das Vermögen während dem Ruhestand zu investieren und konsumieren. Was ist, wenn man mit einer grossen, unerwarteten Auslage konfrontiert wird? Eine solche Situation bedingt eine Anpassung der Anlagestrategie und Erwartungen.
Georg von Wyss am 23.01.2014
Kürzlich hatte ich eine Diskussion mit einem Freund, der auch Finanzanalyst ist. Dieser bezweifelte, dass es sinnvoll sei, in fortgeschrittenem Alter 100% seines Finanzvermögens in Aktien zu investieren und dieses gemäss der Sockel-Überschuss-Methode zu konsumieren. Abgesehen vom psychologischen Stress, den Aktien wegen ihrer hohen kurzfristigen Schwankungen verursachen, stiessen wir auf die Frage, ob man in der Praxis nicht das Risiko laufe, plötzlich mit einer unerwarteten grösseren Ausgabe konfrontiert zu sein, zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Krankheit, nachdem die Aktienmärkte gerade stark gefallen sind. Das Problem war sehr real, hatte der 85 Jahre alte Vater meines Freundes doch gerade seine Hüfte gebrochen. Und da er Amerikaner ist, verfügt er nicht über den gleich umfassenden Versicherungsschutz, wie er in der Schweiz üblich ist. Die Frage ist dennoch auch für Schweizer relevant, weil in der Tat immer die Gefahr besteht, dass eine grosse Auslage auftaucht, während man als Rentner sein Vermögen aufbraucht.
Bevor wir uns dieser Frage vertieft zuwenden, sei unsere Sockel-Überschuss-Methode nochmals kurz rekapituliert. Als erstes zeigten wir in einem Vergleich von Aktien, Obligationen, der Kombination dieser zwei, und vom Sparheft, dass es Sinn macht, für den Vermögensaufbau voll auf Aktien zu setzen, da diese langfristig in den allermeisten Fällen klar am besten rentieren. Für die anschliessende Verbrauchsphase suchten wir nach einer optimalen Strategie, wie das Vermögen bis zum letzten Atemzug weiter anzulegen und zu verbrauchen sei. Wir hofften Regeln zu finden, die es ermöglichen, bis zum Ableben möglichst viel des Vermögens zu konsumieren, ohne dass einem vorzeitig das Geld ausgeht. Mit anderen Worten: Wir suchten nicht nach einer Strategie, um das Vermögen möglichst gut zu erhalten, sondern um es aufzubrauchen und dadurch möglichst gut zu leben.
Das Neue an unserem Ansatz war, dass wir erstens die in der realen Welt anfallenden Bankgebühren und Steuern berücksichtigten, welche in der Schweiz aktuell anfallen, und dass wir diese zweitens auf einen umfassenden Datensatz anwandten, der bis ins Jahr 1899 zurückreicht. Was dabei herauskam, überraschte uns. Es stellte sich nämlich heraus, dass es nicht nur am besten ist, alles Geld in Aktien zu investieren, wenn man für die Zeit nach der Pensionierung spart, sondern das Geld im Ruhestand voll in Aktien investiert zu lassen und es gemäss einiger weniger einfacher Regeln, die wir Sockel-Überschuss-Methode nannten, zu verbrauchen. Bei der Analyse der mehr als 100 Jahre abdeckenden Daten zeigte sich, dass jene, die in der Sparphase unter schlechten Aktienmärkten litten und mit einem kleinen Vermögen in den Ruhestand gingen, anschliessend sehr gute Chancen auf gute Aktienrenditen hatten – und umgekehrt. Mit anderen Worten: Die Tendenz des Aktienmarktes zu mean reversion (Aktien kehren auf ihren langfristigen Wachstumspfad zurück) glich die kurzfristige Volatilität, welche Aktien charakterisiert, langfristig aus. Gleichzeitig sorgte der Aufwärtstrend der Aktien dafür, dass das Vermögen stärker wuchs als mit Obligationen, was einen höheren Konsum erlaubte. Mit Obligationen wuchs das Vermögen nach Abzug von Inflation, Bankgebühren und Steuern nur in seltenen Fällen – wie zum Beispiel in der Phase des historischen Zinsrückgangs seit Anfang der 1980er-Jahre. Mehr dazu in unserer Broschüre „Die Sockel-Überschuss-Methode“.
Während man historisch und wohl auch künftig mit Abstand am meisten Geld verbrauchen konnte, wenn man das ganze Vermögen in Aktien investierte und für die Planung des Konsums die Sockel-Überschuss-Methode benutzte, sind die psychologischen Barrieren beim Anwenden dieser Methode ein echtes Problem – wie auch die Finanz und Wirtschaft "Lieber Investor" vom 26.01.2013 bemerkte. Viele Leute sind echt gestresst, wenn ihre Aktien sinken. Das Wissen, dass sich Aktienmärkte wegen ihrer mean reversion-Eigenschaft immer von Rückschlägen erholen, ist zu abstrakt, um die Anleger in schlechten Börsenzeiten zu beruhigen. Wir haben unsere Empfehlung aber nicht entwickelt, um das Wohlgefühl der Leute zu fördern. Unser Ziel war es, basierend auf den Fakten der letzten 112 Jahre Finanzgeschichte jene Strategie zu finden, die das Vermögen und den Lebensstandard im Ruhestand maximiert. Wenn sich jemand wohler fühlt, wenn er einen grossen Teil seines Vermögens in Obligationen hält, dann sollte er dies tun – solange er bereit ist, den Preis in Form von tieferen Renditen und tieferem Konsum dafür zu bezahlen.
Mein Freund aber wollte wissen, wie gross das Risiko sei, dass die Sockel-Überschuss-Methode zu einer Situation führen kann, in der das Vermögen zu klein geworden ist, um eine grössere unerwartete Ausgabe tragen zu können. Die Antwort hängt von der Grösse des Vermögens zu Beginn der Ruhestandsphase sowie der Grösse der Extra-Ausgabe ab. Die Sockel-Überschuss-Methode, ob mit Aktien oder Obligationen umgesetzt, zielt darauf ab, das Vermögen möglichst aufzubrauchen. Entsprechend sinkt es im Laufe der Zeit so oder so. Wenn man – wie in unserer Broschüre - jeweils 30-jährige Konsumphasen nimmt, dann war das reale, kaufkraftbereinigte Vermögen in den 113 Jahren, die wir soeben analysiert haben, nach 20 Jahren in 78% der Fälle kleiner als zu Beginn der Konsumphase, falls man voll in Aktien investiert war, und in 95% der Fälle, wenn man zu 100% in Obligationen investiert war – Herr Schmid, der fiktive Sparer in unserer Broschüre, der sein Vermögen im Alter von 65 Jahren zu konsumieren begann, wäre dann 85 Jahre alt. Im Durchschnitt, schrumpfte das Vermögen nach 20 Jahren Konsum mit Aktien auf 58% seiner anfänglichen Grösse und mit Obligationen auf 45% (Grafik).
Unser Rat für die Behandlung einer unerwarteten Ausgabe/Einnahme ist, den Sockelbetrag, also den Betrag, den man jedes Jahr unabhängig von der Börse konsumieren kann, im Verhältnis der einmaligen Ausgabe/Einnahme zum Vermögen zu adjustieren. Mit anderen Worten: Wenn das Vermögen CHF 100‘000 beträgt und die Ausgabe CHF 25‘000, dann fällt der Sockelbetrag um 25%. Alle künftigen Berechnungen werden dann auf Basis des neuen Sockelbetrags und des Vermögens nach Abzug der einmaligen Auszahlung gemacht. (Unser Online-Rechner kann solche Adjustierungen berechnen).
Ob die Sockel-Überschuss-Methode für den Einzelnen angemessen ist oder nicht, hängt von den individuellen Risiken und Bedürfnissen ab. Bevor jemand die Methode anwendet, sollte er das Risiko von grösseren künftigen Auslagen abschätzen, zum Beispiel für die Rennovation des Hauses oder bei ungenügender Krankenversicherung für die Kosten einer schlimmen Erkrankung oder eines schweren Unfalls. Wenn eine solche potentielle Ausgabe bedeutend ist, dann sollte der entsprechende Betrag nicht gemäss der Sockel-Überschuss-Methode investiert, sondern in erstklassige Obligationen parkiert und die Zinserträge reinvestiert werden, um die Risiken der Inflation abzudecken. Der Rest aber sollte voll in Aktien angelegt und gemäss der Sockel-Überschuss-Methode konsumiert werden. Selbstverständlich ist der zu erwartende Konsum dann tiefer als wenn man keine solche Rücklage für ausserordentliche Ausgaben vorgenommen hätte.
--Georg von Wyss (Classic Global Equity Fund)
Präsentation Jahresbericht 2013