NZZ Artikel über Gold von Beat Kappeler:
Man kratzt Gold aus der Erde, um es als Schatz im Keller zu verstecken. Irrational oder sinnvoll?
Geldmenge, Tiefzinsen, Währungskurse, Staatsschulden werden von den Notenbanken freihändig manipuliert.
Beat Kappeler
Das Bild irrationaler Schufterei in Goldminen und angstvollen Vergrabens im Keller stammt vom englischen Lordkanzler Thomas Morus vor 500 Jahren. Er war gegen den Hang zum Golde und riet, die Nachttöpfe aus Gold zu giessen, damit man den Respekt davor verliere.
Gegenwärtig aber steigt der Respekt vor Gold gewaltig an. Damit reagieren die Bürger auf die frivole Papiergeldschwemme, welche die westlichen Notenbanken laufend veranstalten. Allein letzte Woche hat die Europäische Zentralbank nochmals 500 Mrd. € neu bereitgestellt. Die US-Zentralbank kaufte so viele Staatspapiere gegen neues Geld, dass sie nun der grösste Gläubiger der USA ist. Demgegenüber hat Gold verführerische Eigenschaften. Es ist knapp, die vorhandene Menge der ganzen Welt bildet einen Würfel von vielleicht 25 Metern und wächst durch Förderung nur um 2 bis 3% jährlich. Sodann rostet Gold nicht, es ist beliebig teilbar, es hat ein enorm hohes Gewicht, nämlich zwanzigmal jenes des Wassers. Eine Tonne Gold bildet nur eine Platte von einem Quadratmeter, 5 Zentimeter dick, kostet aber fast 50 Mio. Fr. Gold als Zahlungsmittel von Hand zu Hand hinterlässt keine Spuren auf Papier- oder elektronischen Konti. Ausserdem erfreut Gold das Auge bei Schmuck und Uhren.
Doch das Hauptargument für Gold ist ökonomisch. Gold hat keine Gegenpartei. Fast alle anderen Vermögenswerte hängen vom Tun der lieben Mitmenschen ab. Aktien sind nur so viel wert, wie die Firmen erwirtschaften, Obligationen gelten nur, wenn der Schuldner zahlt, bei Immobilien müssen die Mieter zahlen, Bankkonten sind so lange wertvoll, als die Bank solvent ist, selbst Banknoten können von der Notenbank inflationiert werden. Dafür verzichten Goldbesitzer auf die Entschädigungen einer Gegenpartei, Gold zahlt keine Zinsen. Eigentlich steigt der Goldbesitzer vorübergehend aus der Ökonomie aus. Sein Gold dient nicht als Rohstoff, nicht als Tauschmittel, es ist Schatz, nicht Kapital. Dann wäre die Liebe zum Gold also irrational, ohne ökonomische Rolle?
Weit gefehlt. Mit Gold kann man auch in Krisenzeiten zahlen. Gold war bis vor 40 Jahren der Anker hinter den Geldordnungen, es deckte mehr oder weniger die umlaufenden Währungen. Gold war immer auch Geld, also Zahlungsmittel. Jedoch ein Zahlungsmittel, das nicht von einer Zentralbank geschaffen wird. Gold könnte wieder geläufiges Geld werden, wenn die westlichen Notenbanken den Wert ihres Papiergeldes in den Boden reiten würden. Daher weichen immer mehr Wirtschaftsbürger, Fonds, Banken auf das Zahlungsmittel ohne die Gegenpartei einer Notenbank aus. Verdächtigerweise kaufen die Notenbanken Asiens sogar selbst massiv Gold auf. Die westlichen Papiernotenbanken sehen sich daher bereits mit dem Gold als korrigierendem Massstab ihres Tuns konfrontiert. Inflation wird weitherum erwartet.
Zwar liegt die meiste Masse des geschaffenen Papiergeldes noch in den Notenbanken selbst, weil die Banken Europas, der Schweiz und der USA ihnen zwar Wertschriften und Währungen verkauften, den Gegenwert aber dort stehen lassen. Doch wenn das Vertrauen in die Konjunktur und in die Banken zurückkehrt, strömen diese Gelder als Kredite in die Volkswirtschaft, in die Rohstoffe und Immobilien, und deren Preise steigen. Dann bekommen die Verfechter goldbasierter Währungen Auftrieb. Im Goldstandard vor 1914 konnte jede Note zu einem festen Kurs gegen Gold eingetauscht werden. Damit disziplinierte die vorhandene Goldmenge allenfalls zu grosszügig ausgegebenes Notengeld. Die Bürger kamen damit an den Schalter und verlangten Gold, die Notenbank war unter ihrer Kontrolle. Das Gold disziplinierte auch den Aussenhandel und die Konjunkturen. Wenn ein Land zu stark expandierte und importierte, floss Gold ab, wenn die Lieferanten und Notenbanken im Ausland auf Gold bestanden. Damit reduzierte sich die Gold- und Geldmenge des defizitären Landes, alle mussten sparen, weniger importieren, die Handelsbilanz kam wieder ins Lot. Die Preise sanken zuweilen, beispielsweise um 30 bis 40% von
1873 bis 1896, doch die Produktion von Stahl, Wohnungen, Geschirr oder Kleidern, also von Gütern und Sachwerten, nahm dennoch zu. Man wurde wohlhabender, aber nicht in Geldwerten. Die «Geldillusion» spielte noch nicht, wonach mehr Noten mehr Vermögen suggerierten wie heute. Die Zinsen waren tief, Schulden zu machen, war unrentabel, weil sie, gemessen an den Preisen realer Werte, zunahmen. Obwohl in der Praxis damals nicht alles ohne Krisen, Krämpfe und Konkurse ablief, böte der Goldstandard als System fast in allem eine Gegenwelt zu heute. Denn Geldmenge, Tiefzinsen, Währungskurse, Staatsschulden werden von den Notenbanken freihändig manipuliert, mit immer hastigeren Behelfsmassnahmen. Immer unsicherer wird der künftige Wert des Papiergeldes, der Zusagen, der Gesetze, der Bankkonten.
Letzte Woche zeigte dieser «Standpunkt» anhand von Neapels Kehricht, wie sich Bürger individuell behelfen, den Kehricht vors Haus werfen, wenn das öffentliche Gut «Sauberkeit und Hygiene» ausfällt. Von «öffentlichen Gütern» kann niemand ausgeschlossen werden, sie kommen aber spontan nicht zustande, sondern nur durch gesellschaftliche Vorkehren. Die Geldverfassung eines Landes aber stellt eines der wichtigsten öffentlichen Güter dar, den Transaktionsrahmen für alles und jedes. Fehlt dieser Rahmen, droht Tauschwirtschaft, und Ressourcen liegen brach.
Beim Papiergeld verletzen die Notenbanken zunehmend das öffentliche Gut «stabiler Geldwert», und die Bürger steigen individuell mehr und mehr auf das Gold um. Der Zerfall des Vertrauens macht das Papiergeld immer mehr zum Kehricht. Ein öffentliches Gut verkommt.
Quelle: NZZ am Sonntag