MF ist und bleibt für mich die Ikone Nummer eins hier.
Nun vielleicht nicht gerade als Anlageberater :mrgreen:
Ich vermute mal, dass Menschen wie ich, die für alles und jedes Begründungen, logische Erklärungen und historische Parallelen suchen, mit aussergewöhnlichen Zeiten mehr Schwierigkeiten haben als z.B. John Doe, Marcello oder Salla, die die aktuelle Situation einfach so antizipieren wie sie ist, ohne gross nach den Hintergründen zu fragen.
Ganz im Stil: "Wenn x steigt, dann kaufen wir es, wenn es sinkt, dann verkaufen wir. Warum es steigt (sinkt) interessiert nur sekundär."
Und ja, wir leben in aussergewöhnlichen Zeiten. Aussergewöhnlich deshalb, weil es einige Umstände gibt, für die es keine Parallelen in der Geschichte gibt und für die wir entsprechend auch kein "Rezept" entwickeln können.
Ich nenne drei Beispiele:
1. Geldmenge
Bis zum Jahr 2000 war die Geldmenge mehr oder weniger eine Konstante. Sprich: Die Geldmenge ist nur in etwa mit der Teuerung gestiegen.
Um die frei verfügbaren Vermögenswerte streiten sich 4 Anlageklassen: Aktien, Anleihen, Rohstoffe (Gold) und Immobilien.
Je nach aktueller Situation der Wirtschaft, der Zinsen und der Teuerung wurden dann zum Beispiel Aktien gegen Anleihen verkauft oder Immobilien gegen Anleihen oder Gold gegen Aktien ... was auch immer.
Die Quintessenz war, dass - wegen der konstanten Geldmenge - die Assets gegenläufig waren. Steigen Aktien, fallen entweder Gold oder Anleihen oder beide. Wird in Immobilien umgeschichtet, fallen Aktien und Anleihen ... so in dem Stil. Die Geldmenge war ja begrenzt und deshalb musste A fallen, wenn B und C stiegen.
Man konnte daraufhin sehr schön eloquente Zusammenhänge zwischen diesen 4 Assetklassen aufstellen und diese auch schlüssig begründen. So werden z.B. bei steigenden Zinsen Immobilien weniger nachgefragt (die Miete ist billiger) aber Anleihen sind der Hit. Geld fliesst also von Immobilien in Anleihen.
Mir ist und war es immer wichtig, diese Zusammenhänge aufzuzeigen und zu kommentieren. Das wurde auch immer von allen geschätzt und dafür wurde ich auch nie kritisiert. Und manchmal bekommt man dafür auch anerkennende Worte, wie hier im Thread weiter oben von Leser und Hutch.
Kritisiert wurde ich immer nur für meine Schlussfolgerungen, die ich aus meinen Erkenntnissen zog, wenn ich (kurz- mittelfristig) falsch lag.
Aber das ist ein anderes Thema
Was wir 2000-2008 erlebt haben widerspricht der oben beschriebenen Erfahrung, dass die 4 Assetklassen gegenläufig sind. Denn wir haben erlebt, dass alles gleichzeitig gestiegen ist: Aktien, Anleihen, Gold, Immobilien.
Deshalb ist seither der Zusammenhang: "Wenn A steigt muss B fallen, denn die Geldmenge ist ja begrenzt" auf einmal falsch, denn es kann tatsächlich alles steigen, wenn die Geldmenge steigt.
So gesehen sind es also neue Zeiten. Die Zusammenhänge zw. Zinsen, Teuerung, Wirtschaft etc. sind zwar noch nicht ganz falsch aber sie müssen erweitert und neu definiert werden, denn aus der Konstanten ist eine Variable geworden. Und damit meine ich die Geldmenge.
2. Superzyklen (in Anlehnung an unsere Diskussion im Langfrist-Thread ab
hier)
Wenn wir uns gemäss Kondratieff-Zyklen die bisherigen Winter anschauen (s. Link in meiner Signatur), dann stellen wir fest, dass ein Frühling erst dann begonnen hat, nachdem vorher der Winter seine grausame Aufgabe erfüllt hatte. Die Aufgabe des Winters besteht im Wesentlichen im Vernichten von Schulden. Das heisst: Firmen gehen Konkurs (Kredite müssen also abgeschrieben werden), Sparsamkeit ist Trumpf, der Gürtel wird enger geschnallt, es werden keine Kredite mehr vergeben ... etc. ... etc. wie beschrieben.
Wir haben das zuletzt 1929-1937 erlebt in der Grossen Depression, oder vorher 1875, als die Eisenbahnblase platzte.
Quintessenz ist, dass ein neuer Superzyklus bisher immer nur dann beginnen konnte, nachdem die Schulden fast völlig abgebaut worden waren. Die Welt, die Wirtschaft war schuldenfrei und eine neue Runde konnte beginnen.
Nach menschlichem Ermessen - und auch der Zeitrahmen von "alle 70 Jahre" hätte gepasst - hätte es im Jahr 2000 einen neuen Kondratieff-Winter geben müssen. Schulden hätten also abgebaut, Firmen in Konkurs gehen etc. ... müssen. Es hätte also die übliche harte deflationäre Spirale stattfinden müssen.
Nun, wir leben in neuen Zeiten. Und was unsere Zeit (Jahr 2000ff.) von den vorgängigen Winterzeiten (1929, 1875, 1836) unterscheidet ist, dass wir Zentralbanken haben, die Geld beliebig drucken und somit der Deflation entgegenwirken können.
Wir haben also einerseits stark deflationäre Kräfte. Sprich: Der Markt verlangt eigentlich seit dem Jahr 2000 danach, dass die Schulden auf allen Ebenen reduziert werden, dass Fehler bereinigt werden und dass der Markt danach wieder voll durchstarten kann.
Und wir haben andererseits eine grosse Geldmengenausweitung. Eine Reflation. Den Versuch also, durch frischt gedrucktes Geld (monetäre Inflation) den deflationären Kräften Stirn zu bieten. In diesem Spannungsfeld zwischen Inflation und Deflation leben wir und dieses Umfeld ist sogleich spannend, interessant, einmalig als auch gefährlich.
Nun gut: Dass monetäre Inflation die Aktienpreise in die Höhe treibt, ist bekannt. Das entspricht auch der historischen Erfahrung. Dass monetäre Inflation über kurz oder lang auch die Güter-Preise in die Höhe treibt ist zwar eine historische Erfahrung aber im Moment noch nicht eingetreten. Dass ich mit meiner Einschätzung "Gelddruckerei führt zu Teuerung" bisher falsch lag, darf aber nicht zwingend zur Schlussfolgerung führen, dass dies auch für die Zukunft gilt! Mit steigendem Deflationsdruck bei gleichzeitig steigender monetären Inflation steigt einfach die Spannung. Und je stärker die steigt um so grösser die Chance, dass sich diese Spannung blitzartig entlädt.
Jene von uns, die bereits das Jahr 2000 an der Börse miterlebt haben, haben das hautnah miterlebt: Der beginnende Kondratieff-Winter 2000, der von Greenspan sehr schnell durch Geld der Feld ($760 Mrd) unterdrückt wurde. Statt inkompetente Firmen wie WorldCom untergehen zu lassen, wurden sie "gerettet."
Darauf eine Periode Friede-Freude-Eierkuchen bis zum Einbruch der Immobilienpreise 2007 bzw. der Finanzkrise 2008.
Auch die wurde schnell und effizient durch frisches Geld der Fed unterdrückt. Nur dass diesmal 13'600 Mrd. notwendig waren.
Nun gut, wird es diesmal auch 8 Jahre - also bis 2016 - dauern, bis sich der Markt Gehör verschafft und die Deflation wieder durchdrückt? Wenn ja, wie viel Geld wird die Fed dann einschiessen müssen, um die Krise für weitere 8 Jahre unter Kontrolle zu halten? Und wird das dann noch wirken oder wird sich der Winter doch noch durchsetzen?
Oder haben wir auch in dieser Hinsicht "einmalige" Zeiten, als es der Fed gelingt, unendlich lange jede Krise mit zusätzlicher Pumpenkohle zuzuschütten?
Zurück zum Superzyklus: Es wäre nach meiner Kenntnis das erste mal in der Geschichte, dass ein Superzyklus (ein Kondratieff-Frühling) ohne vorangegangene Bereinigung der Schulden starten würde.
Es macht auch logisch keinen Sinn, denn so lange Staaten, Konsumenten, Gemeinden, Unternehmen durch ein Korsett hoher Schulden und Zinszahlungen gebunden sind, können sie gar nicht frei und ungebunden "loslegen".
Leben wir also in "neuen Zeiten", in der alte Regeln nicht mehr gelten?
Können auf ewige Zeiten alle Assets gleichzeitig parallel zur Geldmenge steigen, ohne dass dabei Teuerung einsetzt?
Sind die Kräfte nicht mehr aktiv, die bestimmen, dass die Geldmenge in Relation zur Gütermenge stehen muss?
Haben wir ein neues Paradigma, dass die Zentralbanken alles im Griff haben?
Letzteres haben wir um 1995-1999 geglaubt und ich war einer der Protagonisten, die davon überzeugt waren, dass diesmal alles anders ist, die Fed alles im Griff hat und Aktienpreise nie mehr sinken werden.
Aber hier hilft uns wieder die Geschichte, denn das Paradigma von "diesmal ist alles anders und Aktien werden in den Himmel steigen" gab es schon zuvor.
Hier ein Zitat von Irvin Fisher vom 17. Oktober 1929, 2 Wochen vor dem Crash:
"Stock prices have reached what looks like a permanently high plateau. I do not feel there will be soon if ever a 50 or 60 point break from present levels, such as (bears) have predicted. I expect to see the stock market a good deal higher within a few months."
( Um das in die richtige Perspektive zu setzen: Damals stand der Dow Jones bei etwa 360 Punkten.")
3. Monetäre Inflation
Aka. Gelddruckerei.
In dieser Beziehung leben wir nicht in aussergewöhnlichen Zeiten sondern haben sehr viele Beispiele in der Geschichte. Wir wissen sehr genau was passieren kann, wenn Staaten versuchen, eine Krise, die durch zu hohe Schulden entstanden ist, durch noch mehr Schulden zu lösen.
Aber das habe ich bereits überall ausführlich dokumentiert und gehe deshalb nicht näher darauf ein. Wer's nicht glaubt, trage die Konsequenzen selbst.