Betrachten wir als "Wort zum Sonntag" mal die Problematik um die Geldmenge:
Als Ausgangsbasis dient uns die
Quantitätsgleichung:
[SIZE= px]M * V = P * Y[/SIZE]
[SIZE= px]Geldmenge * Umlaufgeschwindigkeit = Preisniveau * BIP[/SIZE]
Klammern wir der einfachheit halber mal das BIP aus, das in den letzten Jahren ja ziemlich konstant geblieben ist, bleibt die Erkenntnis:
Geldmenge * Umlaufgeschwindigkeit = Preisniveau.
Die Umlaufgeschwindigkeit ist grob formuliert ein Indikator dafür, was wir - die Konsumenten - die Unternehmen und Banken mit ihrem Geld anfangen. Wird es ausgegeben bzw. als Kredit vergeben, steigt die Umlaufgeschwindigkeit. Werden Schulden bezahlt oder wird gespart, sinkt sie.
Die Teuerung (= Veränderung des Preisniveaus) ist somit abhängig von der Veränderung der Geldmenge und der Umlaufgeschwindigkeit mit der das Geld zirkuliert.
Wenn Geldmenge oder Umlaufgeschwindigkeit steigen, während der andere Parameter konstant bleibt, steigt die Teuerung.
Umgekehrt sinkt die Teuerung, wenn Geldmenge oder Umlaufgeschwindigkeit sinken.
Mit diesem Grundwissen im Rucksack, dass wir Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit multiplizieren müssen um das Preisniveau zu bekommen, betrachten wir diesen Chart:
Wir sehen hier, dass die Umlaufgeschwindigkeit im Jahre 2008 vom langjährigen Durchschnitt von 17.7 ziemlich dramatisch auf 5.7 abgesunken ist. Das äussert sich eben in der neuentdeckten Sparlaune der Konsumenten und der Weigerung von Banken, sich gegenseitig oder Unternehmen Kredite zu vergeben.
Wäre nun in diesem Umfeld die Geldmenge konstant geblieben, hätte die Welt einen recht dramatischen deflationären Schock erlitten. Die Teuerung wäre rapide gesunken. Mit all den bekannten unschönen Auswirkungen wie Firmenkonkursen, Privatkonkursen, Zwangsversteigerungen von Immobilien, steigender Arbeitslosigkeit etc.
Was kann eine Zentralbank in so einem Fall tun?
Sie kann die Umlaufgeschwindigkeit nicht erhöhen, denn sie kann uns ja nicht vorschreiben, ob wir unser Geld für eine neue Polstergarnitur ausgeben, Schulden abbauen oder sparen.
Sie kann aber die Geldmenge beeinflussen. Und genau das hat sie in den letzten Jahren auch getan!
Die Zentralbank hat die Geldmenge in gleichem Ausmasse nach oben gefahren wie die Umlaufgeschwindigkeit gesunken ist.
Das Ergebnis ist, dass zu jedem Zeitpunkt die Multiplikation aus M * V denselben Wert ergab. Also dasselbe Preisniveau.
Für all jene normalen Bürger, die nur auf die Teuerung achten und denen Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit egal ist, hat sich nichts sichtbar verändert. Die Teuerung ist nach wie vor zwischen 0-2% stabil.
Die entscheidende Frage lautet nun, wie die ZB reagieren wird, wenn die Umlaufgeschwindigkeit steigt und sich wieder ihrem langjährigen Durchschnitt annähert.
Die Antwort ist in der Theorie sehr einfach: Die Geldmenge muss in gleichem Ausmass reduziert werden, wie die Umlaufgeschwindigkeit steigt. Die rote und blaue Kurve nähern sich an, durchschneiden sich und landen schlussendlich etwa wieder da, wo sie z.B. 2005 schon mal waren.
Daniel Stelter von der Boston Consulting Group erklärt das sehr schön in diesem
[COLOR= #008000][Edit MF 17.5.2014 Neuer Link auf's Video][/COLOR]
Hier eine Kopie aus dem Video:
Sollte also die Geschwindigkeit auf 8.4 steigen, müsste die Fed $920 Mrd. abziehen. Anderenfalls droht eine Teuerung von 55%.
Bei einer Geschwindigkeit von 12.6 müssten $1560 Mrd. abgezogen werden oder Teuerung von 143%.
Und wenn wir den Originalzustand wieder herstellen wollen mit 17.7, müssten entsprechend $1800 Mrd. abgezogen oder eine Teuerung von 294% in Kauf genommen werden.
Diese Zahlen stammen - gemäss Daniel Stelter - von der Fed.
Was sich hier in der Theorie so einfach anhört, ist in der Praxis sehr schwierig durchführbar, denn bekanntlich muss auf der Geldmenge Zins bezahlt werden und wenn zu wenig Geld vorhanden ist, um die Schulden und Zinsen zu bedienen, ist das rein praktisch unmöglich. Es ist eine ähnliche Situation wie beim Spiel "Reise nach Jerusalem", wo für 10 Kinder nur 9 Stühle zur Verfügung stehen. Wird die Geldmenge reduziert entspricht das genau jenem Moment, wo die Musik aufhört zu spielen und jedes Kind einen Sitzplatz zu ergattern sucht.
Im Wirtschaftsleben muss man sich das so vorstellen, dass Konsumenten Geld ausgeben, Unternehmen und Konsumenten wieder Kredite nachfragen, die Banken sogar gerne Kredite vergeben würden aber sie haben selbst zu wenig Geld.
Die logische Konsequenz sind steigende Zinsen: Nur noch jene bekommen Kredit, die ein gutes Geschäftsmodell haben, sich hohe Zinsen leisten können und über eine gute Bonität verfügen. Entsprechend wird dann nachträglich genau das passieren, was man 2008 mit der Gelddruckerei verhindern wollte. Ein deflationärer Schock. Allerdings von weitaus höherem Niveau aus als 2008!
Das Alternativszenario sieht so aus, dass die Zentralbanken die Geldmenge konstant lassen bzw. nur leicht erhöhen und eine hohe zweistellige Teuerung zulassen.
Dazwischen gibt es noch den Mittelweg: Langsamere Reduktion der Geldmenge als erforderlich und somit wird eine hohe Teuerung in Kauf genommen.
Wir haben im Moment die perverse Situation, dass wir zwar eine Inflation der Geldmenge haben und gleichzeitig eine Asset-Deflation also Druck auf die Preise, Deflation der Preise.
Wir könnten im oben beschriebenen Mittelweg eine umgekehrte aber genau so perverse Situation bekommen: Nämlich eine Deflation der Geldmenge bei gleichzeitig steigender Teuerung und steigenden Zinsen.
Zu guter Letzt gibt es noch die Variante, dass die Umlaufgeschwindigkeit steigt und die ZB es aus den genannten Gründen nicht zulassen will oder kann, dass die Ausweitung der Geldmenge sinkt. Wir hätten entsprechend sowohl eine steigende Umlaufgeschwindigkeit als auch eine steigende Geldmenge, die dafür sorgen soll, dass die Zinsen nicht durch die Decke gehen.
Mit schnell steigender Teuerung würde die Umlaufgeschwindigkeit noch stärker nach oben schiessen und den Effekt verstärken, während die ZB in immer grösserem Ausmass gezwungen ist, neues Geld nachzuschiessen, um die Zinsen unten zu halten.
Steigen Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit gleichzeitig, multipliziert sich das auf die Teuerung, die rapide nach oben schnellen würde.
Das Ergebnis wäre ein Crack-Up-Boom: Die Menschen würden ihr Geld sofort ausgeben und sich Sachwerte kaufen, weil das Geld morgen ja bereits weniger wert ist als heute.
Also Szenario Simbabwe, Weimar. Vertrauensverlust in die Währung, Hyperinflation, Währungsreform.
Halten wir nochmals fest:
Dreh- und Angelpunkt für jede Währung ist das Vertrauen in ihre Kaufkraft. Niemand kann beeinflussen, ob und wann das Vertrauen verloren geht. Starke Ausweitung der Geldmenge und steigende Teuerung sind die wichtigsten Faktoren.
Das Vertrauen kann von der Zentralbank nur sehr schwer kontrolliert werden. Sinnvoller Weise über entsprechende Statements von Zentralbankern, Politikern oder Artikeln in den Medien. Und genau das wird auch getan.
Die Kontrolle des Goldpreises gehört -
siehe Greenspan 1993 - auch dazu.
Der zweite Punkt ist, dass die ZB die Umlaufgeschwindigkeit nicht kontrollieren kann. Teilweise ist das durch politische Massnahmen möglich. So wie in Zypern, wo die Leute halt nur scheibchenweise an ihr Geld kommen aber soche Massnahmen zehren wieder am Vertrauen.