Kommen wir mal kurz zurück zur von uns Schweizer Patrioten so hoch gelobten direkten Demokratie und ihrer Antizipation im Ausland:
Zunächst bedeutet ein Volksentscheid nicht zwingend dessen Umsetzung:
* 1945 wurde die erste Mutterschafts-Initiative angenommen. Die Realisierung erfolgte aber erst in den frühen 1980er Jahren, also fast 40 Jahre später.
* Die Einführung der Sommerzeit wurde
am 28. Mai 1978 mit 83.8% der Stimmen verworfen. Dennoch wurde sie - gegen den Willen des Volkes - 1981 eingeführt.
Daneben haben wir auch relevante Entscheidungen, über die das Volk niemals abstimmen durfte:
* 2009: Bailout der UBS mit etwas über 60 Mrd. oder über 10% des Schweizer BSP
* 2009-2013: Schrittweise Abschaffung des Bankkunden-Geheimnisses.
* 2010, Ausschaffungsinitiative: Die wurde angenommen aber der Bundesrat (BR) hat sie nicht sauber umgesetzt. Schlussendlich wäre es ja darum gegangen, kriminelle Ausländer rauszuschmeissen. Ich persönlich vertrete hier die Meinung (wobei das reine Verschwörungstheorie ist!) dass die aktuelle Masseneinwanderungsinitiative gar nicht nötig gewesen wäre, wenn der BR die Ausschaffungsinitve korrekt und dem Volkswillen entsprechend durchgesetzt hätte.
Ist also unsere direkte Demokratie sinnlos?
Ich meine: Nein, trotz all ihrer Schwächen.
Zunächst unterscheidet uns in der Schweiz von Deutschland, dass die Diäten, die Bezüge der Poliker, weitaus geringer sind.
Rund Fr. 5000 für einen Nationalrat gegenüber
€8252 für einen deutschen Politiker.
Dies, obschon das Lohnniveau in der Schweiz um einiges höher ist als in Deutschland.
Das hat zur Konsequenz, dass ein Schweizer Nationalrat von seinen Einkünften als Miliz-Parlamentarier nicht leben kann und einer - hoffentlich ehrlichen - Arbeit nachgehen muss. Dies im Gegensatz zu seinem deutschen Kollegen, der sich rein auf seine Aufgabe als Politiker zu 100% konzentrieren kann.
Der Schweizer Politiker verliert entsprechend weniger die Bodenhaftung als sein deutscher Kollege.
Hinzu kommt, dass die regelmässigen Volksabstimmungen den Politikern den Volkswillen kund tun. Selbst wenn diese zu keinen konkreten Ergebnisse führen sind die Schweizer "Führer" doch weitaus besser auf dem Laufenden, was das Volk eigentlich will als ihre abgehobenen deutschen Kollegen.
in Deutschland - so mein Eindruck - scheint unter den Politikern die Meinung zu herrschen: "Das Volk ist zu dumm, um zu entscheiden, was für das Volk das beste ist. Deshalb entscheiden wir, die ach so erhabenen und intelligenten Politiker".
Die Schweizer Politiker haben zwar ebenso die Möglichkeit, sich über den Volkswillen hinweg zu setzen. Aber es ist ungleich schwieriger, weil transparenter.
Notabene gibt die Chaos-Theorie der Schweiz recht:
Nehmen wir als Beispiel den Wettbewerb eines Kaufhauses: Die Kunden sollen schätzen, wie viele Linsen sich in einer Glasdose befinden.
Die Schätzungen liegen individuell vielleicht zwischen 1000 und 100'000. Das einzelne Individuum ist also sehr schlecht geeignet eine gute Schätzung abzugeben.
Tatsächlich befinden sich 37'000 Linsen in der Dose und der Durchschnitt aller Schätzungen liegt bei 42'000.
Fazit: Während das einzelne Individuum in der Regel sehr schlecht schätzt, liegt der Durchschnitt der schlechten Schätzungen doch sehr nahe am effektiven Ergebnis.
Deshalb glaube ich trotz aller Einschränkungen auch weiterhin an die in der Schweiz praktizierte direkte Demokratie.
Zumindest ist sie weitaus besser als alles, was der Rest der Welt an Alternativen zu bieten hat!