Einer der Vollgeld-Freaks hat hier doch tatsächlich folgendes geschrieben:
Zitat
" [COLOR= rgb(0, 0, 0)]Wie das buchhalterisch genau geht, weiss ich nicht. Es interessiert mich aber ehrlich gesagt auch nicht. Ich bin aber zuversichtlich, dass das eines der kleineren Probleme wäre.[/COLOR]
Zitat Ende
Arrogant (und ignorant) ist, wer sagt, ich weiss nicht, wie es funktioniert, aber es soll so geschehen, wie ich will. So argumentieren die Vollgeldler.
Das sehe ich anders. Ich darf Forderungen stellen und dabei die konkrete Umsetzung den Spezialisten überlassen.
Einige Beispiele:
- "Als Umweltminister meines Landes möchte ich, dass Autos nur noch x Mikrogramm des Schadstoffes y ausstossen."
- "Als Buchhalter möchte ich, dass mein Computerprogramm eine MWST-Abrechnung erstellen kann."
- "Als Patient möchte ich, dass mein gebrochenes Bein behandelt wird."
In all diesen Fällen muss ich - fachlich durchaus inkompetent im jeweiligen Spezialgebiet - auf Expertenwissen zurückgreifen.
Entsprechend:
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"Als Bürger und Sparer möchte ich, dass die Geldmenge exakt so hoch ist, wie die Menge der Dinge, die man dafür kaufen kann.
Über Sinn oder Unsinn dieser Forderung zu diskutieren, ist Sinn und Zweck dieses Threads.
Aber gehen wir in medias res: (Ich erlaube mir mal, zu nummerieren)
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1) Vollgeldler behaupten, Buchhaltung sei kein Naturgesetz, sei nicht in Stein gemeisselt und könne abgeändert werden. Doch. Buchhaltung ist ein Naturgesetz und kann nicht abgeändert werden. Buchhaltung zeigt, welches Vermögen existiert und wem dieses gehört.
2)Die Vollgeldler wollen, dass die SNB Geld „schuldfrei“ in Umlauf bringt (siehe Initiativtext).
3) Wie entsteht Buchgeld heute? Ein Beispiel:
Angenommen, ein Leser wolle ein Haus bauen für 1 Mio. Er geht zur Bank und erhält einen Kredit auf die Sicherheit des Hauses. Dieser Kredit hat zur Folge, dass in der Bilanz des Geldemittenten (Geschäftsbank) auf der Aktivseite der gewährte Kredit verbucht wird und auf der Passivseite das Buchgeld, das der Hausbauer erhält.
1) Buchhaltung ist kein Naturgesetz sondern von Menschen (Florenz im 14. Jh.) entwickelt. Aber darum geht es nicht. Es geht nicht darum, die Buchhaltung zu ändern und neu zu definieren sondern die Regeln der Kreditvergabe.
2) Wir sind uns darüber einig, dass Banken Geld immer als Kredit auf die Welt bringen. Die Summe aller Schweizerfranken sind auf der Passivseite der SNB und somit eigentlich eine Schuld der SNB gegenüber den Franken-Haltern. Ausgeglichen wird die Bilanz auf der Aktivseite durch Fremdwährungen, Gold, Aktien.
Soweit sind wir uns also einig.
3) Hier dasselbe Spiel: Die Hausbank gewährt einen Kredit für die Hypothek. Sie erzeugt dieses Geld über einen Buchungssatz: "Hypothekarpapier an Giroguthaben".
Die verrechnet also - buchhalterisch durchaus korrekt - ein Schuldpapier mit eigener Schuld. Sie gibt damit bilanzrechtlich zu, dass sie noch gar nicht geliefert, keine Leistung erbracht hat. Sie verlangt notabene auf dem Hypothekarpapier noch Zinsen, obschon sie kein eigenes Geld eingesetzt hat. Das ist buchhalterisch schon ziemlich pervers
Durch diese Kreditvergabe (Bilanzverlängerung) wird neues Geld generiert, das es bisher noch nicht gab. Geld, das in der realen Wirtschaft zwar nach Gütern und Leistungen nachfragen kann, aber in keinster Weise gedeckt ist.
Was die Vollgeldinitiative erreichen will ist, dass nur Geld verliehen werden kann, das existiert, das gedeckt ist.
Etwas plakativ und vereinfacht beschrieben: Wenn 1000 Sparer je Fr. 500 gespart haben, darf die Bank diese halbe Million (abzgl. Mindestreserve) als Kredit verleihen.
Sie darf aber nicht leistungsloses neues Geld durch einen Buchungssatz erschaffen!
Hintergrund: Um langfristig die Stabilität eines Währungsraumes zu gewährleisten sollte die Geldmenge im Idealfall immer exakt so hoch sein wie die Menge an Gütern und Dienstleistungen. Ist dies nicht der Fall, droht Inflation und im dümsten Fall Hyperinflation und der völlige Zusammenbruch einer Währung.
Wir haben global betrachtet die Situation, dass es etwa 10 mal mehr Geld gibt als Dinge, die man dafür kaufen kann. Und das ist brandgefährlich! Denn wenn all dieses Geld beschliesst, einkaufen zu gehen, spielen wir das Spiel "Reise nach Jerusalem". Mit 10 Kindern und nur einem Stuhl.
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An früherer Stelle in diesem Thread wurde diskutiert, wer denn Geld erzeugen darf. Auch der Bäcker oder Bauer?
Ultimo ratio: Ja, genau diese und niemand anders!
Die Alternative zu einem Geldsystem, wo Geld aus Kredit entsteht wäre ein Geldsystem, in dem Geld aus Leistung entsteht.
Auf primitives Niveau heruntergebrochen: Wenn wir uns eine kleine Insel vorstellen, deren Einwohner nichts anderes produzieren als Kokosnüsse, dann geht es den Leuten besser, wenn sie eine gute Ernte haben und schlechter, wenn sie eine schlechte Ernte haben.
Auch wenn wir - um das zu verkomplizieren - als Währung Muscheln einsetzen, um Kokosnüsse zu tauschen, wird man eine schlechte Ernte nicht kompensieren können, indem man mehr Muscheln produziert. Und wenn die Zentralbank bei einer schlechten Ernte die Menge der bemalten Muschen verdoppelt, dann kann die Illusion des Reichtums nur sehr kurzfristig erzeugt werden. Denn unter dem Strich gibt es halt doch weniger Kokosnüsse zu essen.
Damit will ich sagen: Geld ist nichts als eine Illusion, wenn es nicht durch Leistung gedeckt ist.
Wenn wir also die Prämisse definieren, dass wir das Ziel haben, die Waage zwischen Geldmenge und Gütermenge im Gleichgewicht zu halten, dann haben wir drei Möglichkeiten:
1. Die aktuelle Situation, in der jede Bank fast beliebig neues Geld erschaffen kann, ohne dass dieses zuvor durch eine Leistung erbracht worden wäre.
2. Vollgeld mit einer disziplinierten Zentralbank, die die Geldmenge steuert. Deine Frage hierzu, ob eine staatliche Instiitution besser geeignet sei als die Wirtschaft, ist berechtigt. Die Lösung ist allerdings nicht (Punkt 1), den Banken die Geldmenge zu überlassen sondern Punkt 3:
3. Geld sollte nicht durch Kredit sondern durch Leistung entstehen. Ganz im Sinne der Kokosnuss-Insel: Wird viel produziert, steigt die Geldmenge und allen geht es besser. Und umgekehrt.
Fazit: Die Vollgeldinitiative ist sicherlich nicht die endgültige Lösung. Nicht das Gelbe vom Ei. Sie ist aber auf alle Fälle besser als die aktuelle Situation, in der über unkontrollierte Kreditvergabe, Derivate und andere finanzielle Massenvernichtungswaffen beliebig "Geld aus dem Nichts" erzeugt werden kann.