Gefahr durch grosse Bilanzen
Schweizer Industriefirmen gehen heute sehr effizient mit Kapital um. Zu den grossen Verschwendern gehören die Banken. Das hat Kursfolgen.
Von Markus Städeli
Der Börsenkurs des Schweizer Raffineriebetreibers Petroplus hat im Jahr 2007 einmal die luftige Höhe von 134 Fr. erreicht. Heute notiert er bei Fr. 1.55, und das Unternehmen kämpft ums Überleben. Petroplus ist eine sehr kapitalintensive Firma, die ihre aufgeblasene Bilanz zudem aggressiv mit Fremdkapital finanziert. Weil die Investoren so stark auf die Erfolgsrechnung fixiert sind und kaum Bilanzen lesen, haben sie die Zeichen an der Wand übersehen. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis sie ins nächste Messer greifen.
Ein effizienter Umgang mit Kapital ist zwar schon immer wichtig gewesen. Seine Bedeutung dürfte aber noch zunehmen: Weil europäische Banken ihre Bilanzen um Hunderte von Milliarden Franken verkleinern müssen, wird die Finanzierung für Unternehmen nicht eben einfacher.
Die Firma CE Asset Management (CEAMS), die sich die Anlage in Qualitätsaktien auf die Fahnen schreibt, hat für die «NZZ am Sonntag» analysiert, welche Schweizer Firmen wie effizient mit Kapital umgehen. Dafür hat sie das Gesamtkapital der Unternehmen ins Verhältnis zu deren Umsatz und operativem Geldfluss gesetzt. Das Resultat wird im Verhältnis zum Median des breiten Börsenindexes SPI angegeben - um Verzerrungen durch Ausreisser zu vermeiden.
Der erstaunlichste Befund ist: Viele Industrieunternehmen, von denen man gemeinhin annimmt, ihr Geschäftsmodell sei kapitalintensiv, gehen heute sehr effizient mit Kapital um. Schindler, Meyer Burger, ABB oder Sulzer gehören in diesem Bereich zu den besten Firmen überhaupt. «Die Industrie hat ihre Kapitalbindung reduziert und dadurch die Kapitaleffizienz durch eine stärkere Arbeitsteilung und dank der Globalisierung stark erhöht», sagt CEAMS-Partner Philipp Weckherlin. «Innovation findet halt nicht nur statt, wenn Apple neue Produkte lanciert, sondern auch, wenn Firmen ihre Wertschöpfungskette optimieren.» Der effiziente Umgang mit Kapital ist zwar nur eines von vielen Kriterien, welche auf die Qualität einer Aktie hinweisen. Doch gemäss den Berechnungen von CEAMS haben kapitaleffiziente Schweizer Firmen in den letzten Jahren deutlich besser abgeschnitten als solche, die eine aufgeblasene Bilanz haben - etwa Banken oder Stromfirmen. Weckherlin findet, das Thema gehe jede Branche an. Auch in kapitalintensiven Industrien müsse es möglich sein, die Kapitaleffizienz zu erhöhen: «Muss eine Bank beispielsweise den Kredit auf die eigenen Bücher nehmen, oder kann sie diesen nur einfach vermitteln? Müssen Energieversorger ein kapitalintensives Handelsbuch führen und die Produktionsanlagen besitzen?» Die Anleger sollten das Thema ernst nehmen und Bilanzen lesen.
Quelle: NZZ