Um die jüngsten Angriffe auf die Schweizer Banken zu parieren, sind Flexibilität und politischer Gemeinsinn gefragt. Stattdessen spielen SP und SVP mit dem Feuer.
Ueli Maurer könnte sich nach eigenem Bekunden zwar genauso gut vorstellen, die Strassen zu kehren wie in Bern zu regieren. Da er nun aber einmal gewählt ist, sitzt er für die SVP im Bundesrat. Wie sich der Verteidigungsminister die Erfüllung seines Mandats mit Blick auf den Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA vorstellt, erläuterte Maurer in einem Interview im September: «Man muss sich vom Schweizer Staat her überlegen, ob wir halt auch mal eine Bank hopsgehen lassen wollen.»
Hopsgehen lassen! Undenkbar, dass sich ein einigermassen ernst zu nehmender Minister eines anderen Landes so über ein Finanzinstitut äussern würde. Schwer fassbar auch, mit welch despektierlicher Nonchalance hier über den Verlust von Arbeitsplätzen und wirtschaftlicher Kraft gesprochen wird. Offenkundig entspricht die Diktion Maurers ziemlich genau der politischen Stimmungslage in seiner Partei. Jetzt, da mit Wegelin & Co. zwar eine Bank nicht gerade hops-, aber doch immerhin via Notverkauf untergegangen ist, da beschwört die grösste Partei wieder einmal die harte Linie. Zwar bedauerte der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann diese Woche öffentlich, die Politik habe eine Privatbank geopfert - was sein regierender Parteifreund ja billigend in Kauf zu nehmen scheint -,
um dann aber gleich anzufügen: «Der Bundesrat müsste den USA einmal klipp und klar sagen, dass wir uns nicht erpressen lassen.» Erst recht nach dem Fall Wegelin sei deshalb das zwischen den USA und der Schweiz ausgehandelte Doppelbesteuerungsabkommen zu bekämpfen.
Eine derartige Position mag an den Stammtischen gut ankommen. Sie ist allerdings reichlich naiv. Die US-Justiz jedenfalls würde sich von der parlamentarischen Kraftmeierei kaum beeindrucken lassen und nach Lage der Dinge Bank um Bank ins Visier nehmen. Lässt man die dann einfach untergehen? Abgesehen davon ist
die «Wir lassen uns nicht erpressen»-Rhetorik in aller Regel ein sicheres Indiz dafür, dass das exakte Gegenteil der Fall ist. Selbstverständlich reagiert die Schweiz auf Druck bedeutender Handelspartner - es gibt dazu gar keine vernünftige Alternative. Vollends unglaubwürdig wird die «Wir geben nicht nach»-Fraktion schliesslich, wenn sie - wie nach dem Fall Wegelin geschehen - auch noch behauptet, die Nationalbank hätte die Bank retten müssen. Was jetzt: Zugrunde gehen lassen oder retten? Beides geht nicht.
Man muss sich im Klaren sein: Wer apodiktisch an der Position festhält, es könne keine Kompromisse und auch keine Datenlieferungen jedweder Art mehr geben, der kann sich zwar damit brüsten, den verbliebenen Rest des Bankgeheimnisses zu schützen. Er nimmt aber womöglich in Kauf, dass weitere Banken verschwinden werden, der Finanzplatz Schweiz gewissermassen in ordnungspolitischer Schönheit stirbt.
Nun liegt es auf der Hand, dass mit der SVP im Dossier kaum vernünftig gesprochen werden kann. Die Partei wird jeden Ansatz, der aus dem federführenden Finanzdepartement von Eveline Widmer-Schlumpf kommt, ablehnen. Aber auch beim Blick auf den bürgerlichen Rest kann einem mulmig werden. Ausser lautstark vorgetragener Entrüstung über die Banken und Kritik an der Kommunikation
des Bundesrats war da in den letzten Tagen wenig Konstruktives zu hören. Warum, so fragt man sich, hat das politische Personal in diesem Land die Kraft nicht, in schwierigen Zeiten einen gemeinsamen Nenner zu finden - zumal, wenn es um die direkten Interessen einer für den Wohlstand dieses Landes zentralen Industrie geht? Wäre es jetzt nicht geboten, die politischen Kraftmeiereien zu lassen und sich hinter die verhandelnde Regierung zu stellen? Ist dann die erhoffte Einigung mit den USA gefunden, können parteipolitische Abrechnungen immer noch ausgetragen werden.
Einen einigermassen elaborierten Plan haben derzeit im Grunde nur
die Linken: Indem die SP ihre Zustimmung zum Doppelbesteuerungsabkommen an weitreichende Kontrollprozeduren für Bankkunden knüpft, setzt sie Bundesrat und Parlament unter Druck. Das ist nach linker Logik konsequent und taktisch geschickt, läuft aber auf die Errichtung eines staatlichen Kontrollregimes hinaus, das jeden Bürger a priori unter Generalverdacht stellt.
Bleibt die SVP bei ihrer Verweigerungshaltung, so besteht die reale Gefahr, dass sich die Linke durchsetzt oder das Abkommen scheitert. Wahlweise würde so die totale Kontrolle über die Bankkunden installiert oder es würden weitere Banken geopfert. In jedem Fall würde die SVP Widmer-Schlumpf hierfür verantwortlich machen. Denn eigentlich möchte man ja, dass sie es ist, die hopsgeht.
Wer apodiktisch an der Position festhält, es könne keine Kompromisse und auch keine Datenlieferungen mehr geben, nimmt in Kauf, dass der Finanzplatz Schweiz in ordnungspolitischer Schönheit stirbt.
Quelle: NZZ am Sonntag