Es ist und bleibt ein zweischneidiges Schwert. Und damit meine ich den Fracking-Boom (aka. Shale-Gaz) in den USA.
Geopolitisch dürfte der Fall klar sein: Die USA wollen unabhängig werden. In erster Linie in der Energieversorgung und in zweiter Linie auch generell (sprich ausgeglichene Handelsbilanz). Das ist auch durchaus vernünftig. Und dazu nützen sie die brainpower, die Innovationsstärke.
Grundsätzlich muss die Frage schon erlaubt sein, ob es sinnvoll ist, für eine vergleichsweise kleine Energieausbeute die Umwelt auf lange Zeit zu schädigen.
"Kleine Energieausbeute" ist auf die vergleichsweise kurze Lebensdauer eines einzelnen Bohrloches bezogen. In einem
von der eia genannten Beispiel in Oklahoma sank der Output von 1200bpd (Gas umgerechnet in Erdöl barrel pro Tag) im Jahr 2009 auf 100 bpd im Jahr 2013. Dies wird als sehr typisches Beispiel angeführt.
Aus dem gleichen Link: Irak und N. Dakota sind von der Ölausbeute her vergleichbar (1 mio bpd). Irak braucht pro Jahr 60 neue konventionelle Bohrlöcher, N. Dakota 2400 Fracking-Felder, um das Niveau zu halten.
Die USA haben - konventionelles Öl und Gas addiert - derzeit eine Produktion von über 11 mio bpd. Sie werden 2015 Saudi Arabien (dz. 11.6 Mio bpd) überholt haben.
Derzeit sind (seit 2005) 82'000 Fracking-Felder in Betrieb oder bewilligt. Die Gesamt-Zahl der potenziellen Felder in den USA wird auf 500'000 geschätzt. Beim jetzigen Ausbautempo reicht das Gas also bis etwa 2030-2040.
Kurz gesagt: Um Shale-Gaz in ausreichender Menge zu fördern sind sehr viele Bohrlöcher nötig. Jedes davon benötigt im Schnitt 16 Mio Liter Wasser (400 Tankwagen), das mit Sand und 1.6t Chemikalien (bis zu 600 verschiedene Chemikalien) vermischt und in den Boden gepresst wird um das Gas aus dem Gestein zu lösen. Nach dem Fracking muss dieses giftige Gemisch wieder aus dem Boden gesaugt werden, wobei man nur etwa 30-50% erwischt. Der Rest bleibt im Boden und kann - wie wir wissen - das Grundwasser verseuchen. Das Fracking-Wasser wird danach in grossen Sammelbecken gelagert und verdunstet mit der Zeit, wobei beim Verdunsten ebenfalls flüchtige Gase in die Umwelt gelangen. Was übrig bleibt, muss entsprechend entsorgt werden. In der Zwischenzeit muss man hoffen, dass das Sammelbecken kein Leck hat.
Das durchschnittliche Gasfeld hat während seiner 4-jährigen Lebensdauer eine Ausbeute von 300'000 barrel. Die Förderkosten liegen im Bereich von $60-80 pro barrel. Genauer: 80% der Felder benötigen einen Ölpreis von $77 pro barrel um zu überleben (gemäss Studie von JPM). Und jedes einzelne Gasfeld verursacht die oben erwähnten Umweltbelastungen. Hier ist also sehr genau abzuwägen, ob die Bilanz "Energiegewinn vs. Umweltschäden" aufgeht.
Dabei ist zu bedenken: Die Sweet-Spots, also die Felder mit der bestmöglichen Ausbeute (rund $50/barrel), sind seit 2005 bereits in Arbeit. Nach dem ersten Jahr sinkt die Ausbeute eines Feldes um etwa 70%. Nach drei Jahren ist sie um 90% gesunken. Danach wird das Feld unrentabel und es bleiben die teuren Aufräum- und Entsorgungsarbeiten, die - hoffentlich - durch entsprechende Rückstellungen der vergangenen profitablen 3 Jahre gedeckt sind!
In Globo betrachtet ist der US-Shale-Gaze boom derzeit noch nicht befriedigend aufgestellt. Auf $1 Ertrag kommen derzeit $1.50 an Aufwand. Und das wie gesagt unter der Prämisse, dass derzeit die besten der besten Felder gefrackt werden.
Wie gesagt, 80% der Felder benötigen einen Ölpreis von $77 oder höher, um rentable zu sein. Beim aktuellen Ölpreis sind sie das also nicht.
Was also wird passieren, wenn der Ölpreis über mehrere Monate unter den Produktionskosten bleibt? Bestehende Ölfelder aufzugeben ist keine Option aus technischen Gründen. Neue nicht anzugehen schon eher.
Was passiert, wenn eine Firma, die mit $90+ gerechnet hat nun Pleite geht? Wer finanziert die Folgeschäden?
Schon heute ist das Problem der Folgeschäden nicht gelöst: Der Staat Texas hat kürzlich die durch die Lastwagen von Fracking-Firmen erzeugten Schäden an Strassen und Brücken auf $4 Mrd. geschätzt. Wer bezahlt das? Klar, der Steuerzahler. Aber wie fliesst das in die Gesamtwirtschaftliche Rechnung ein?
Und wenn wir schon bei mathematischen Spielereien sind: Der Erdölverbrauch der USA liegt (per 2013) bei 18.9 Mio bpd. somit verbrauchen die USA die Ausbeute von 63 Fracking-Feldern
pro Tag! Oder: Jedes Fracking-Feld liefert den Ölbedarf für 23 Minuten. Die 500'000 Felder reichen also für 7936 Tage oder knapp 22 Jahre.
Das dürfte also in etwa die Zeit sein, die den USA bleiben, von fossilen Energien wegzukommen und auf saubere und nachhaltige Energien umzusteigen. Ansonsten sitzt Amerika in 22 Jahren wieder auf dem Trockenen und hat mit der Hinterlassenschaft von einer halben Million vergifteter Fracking-Felder zu kämpfen.
Die Kinder und Enkel werden unsere Generation dafür lieben!
Hierzu empfehle ich noch das interessante Video von Chris Martensson:
http://www.peakprosperity.com/video/85856/crash-course-chapter-20-peak-cheap-oil
Fassen wir also zusammen:
* Die Sweet-Spots, die besten Fracking-Felder mit $50/barrel sind bereits in Arbeit und mittlerweile ausgeschöpft.
* Die aktuell in Betrieb befindlichen Felder haben einen Förderpreis von $76-77 pro Barrel.
* Derzeit befinden sich rund 82'000 Felder in Betrieb. Weitere 418'000 Felder verbleiben. Allerdings mit höheren Förderkosten verbunden. Sie rentieren grösstenteils erst ab einem Ölpreis von $125.
* Schätzungen über die Ressourcen eines Gebietes sind sehr unpräzise: Erst kürzlich mussten die Schätzungen über das beste aller Felder (Monterey, CA) um 96% nach unten korrigiert werden! Der Grund sind die schwierigen Fracking-Bedingungen, da Kalifornien Erdbebengebiet ist.
Mit weiteren Korrekturen nach unten ist zu rechnen.
* Der Peak des US-Fracking wird per 2016 erwartet. (Also nicht all zu lange in der Zukunft).
P.S.: Zahlen und Fakten aus folgenden Links:
http://www.mintpressnews.com/americas-1-oil-doesnt-really-matter/194076/
http://www.dangersoffracking.com/
http://www.environmentamerica.org/sites/environment/files/reports/EA_Fra...
http://www.businessweek.com/articles/2013-10-10/u-dot-s-dot-shale-oil-bo...
http://www.usatoday.com/story/news/nation/2013/12/16/doe-forecast-natura...