[SIZE= px]Initiative zwänge Nationalbank, Goldbestand zu verdreifachen[/SIZE]
Die Nationalbank müsste rund 2000 Tonnen Gold kaufen, um eine Initiative der SVP zu erfüllen. Doch der Wert des Goldes könnte auch 2014 fallen. Von Daniel Hug
siehe dazu auch Grafik im Goldthread:
viewtopic.php?p=77047#p77047
In den Kellern der Schweizerischen Nationalbank lagert viel Gold. 1040 Tonnen wiegt der gesamte Goldschatz der Nationalbank, der grösstenteils in der Schweiz gebunkert wird, zu 20% bei der Bank of England und zu 10% bei der Bank of Canada. Doch auch die dicksten Tresormauern können nicht verhindern, dass der Wert des Goldes schmilzt: Im vergangenen Jahr hat der Goldschatz rund 15 Mrd. Fr. an Wert eingebüsst, weil der Goldpreis um fast 30% gefallen ist.
Diese Woche hat die Nationalbank Daten veröffentlicht, die sie monatlich an den Internationalen Währungsfonds schickt. Darin ist der Wert des Goldbestandes per Ende Jahr exakt beziffert: Er beläuft sich noch auf 35,565 Mrd. Fr. Gemessen an den Aktiven von etwas über 490 Mrd. Fr. macht der Anteil des Goldes bloss noch 7,2% aus. Viel zu wenig nach Ansicht von SVP-Politikern, die am 20. März 2013 die Volksinitiative «Rettet unser Schweizer Gold» mit über 100 000 Unterschriften eingereicht hatten: Sie fordern einen Anteil von mindestens 20%. «Ich fände es sinnvoll, den Goldbestand auf 25 oder 30% der Aktiven aufzustocken», sagt SVP-Nationalrat Lukas Reimann, Co-Präsident der Initiative. «Das gibt der Nationalbank Spielraum, wenn der Goldpreis sinkt oder steigt», begründet Reimann.
Käufe würden Preis treiben
Was bedeutet das konkret? Um den Goldanteil auf mehr als 20% der Aktiven zu heben, müsste die Nationalbank ihren Goldbestand praktisch verdreifachen, das heisst etwa 2000 Tonnen Gold hinzukaufen (zum Vergleich: die 38mal grösseren USA halten 8100 Tonnen Gold). Dass dies den Goldpreis massiv in die Höhe treiben würde, wäre so sicher wie das Amen in der Kirche: Jeder Spekulant könnte sich darauf verlassen, weil die SVP-Exponenten die entsprechenden Verhaltensregeln für die Nationalbank (SNB) in der Bundesverfassung festschreiben wollen. Sie geben sogar ein genaues Timing für die Goldkäufe vor: Fünf Jahre nach der Annahme der Initiative durch Volk und Stände müsste der Anteil von 20% Gold an den SNB-Aktiven erreicht sein.
Der Initiativtext wurde in der Zeit aufgesetzt, als der Preis des gelben Metalls fiebrig nach oben schnellte - und die meisten Anlageberater den Kunden mit ernster Miene empfahlen, unbedingt Gold als Schutz vor den Verwerfungen in der Euro-Zone, den USA und sonst überall in der Welt zu erwerben. Vergessen ging die Tatsache, dass auch der Goldpreis keine Einbahnstrasse ist (siehe Grafik): Das Edelmetall weist - wie andere Anlagekategorien - immer wieder grosse Wertschwankungen auf. Die Nationalbank hat die Renditen von Gold, globalen Aktien, US-Staatsanleihen und Schweizer Anleihen über 30 Jahre (August 1983 bis August 2013) analysiert. Fazit: «Gold gehört zu den volatilsten und damit zu den riskantesten Anlagen in der Bilanz der SNB.» Die durchschnittliche jährliche Rendite von Gold belief sich auf lediglich 1,2%, während Aktien mit 6,9% rentierten und US-Staatsanleihen mit 4,4%. Hauptgrund: Gold wirft eben weder Zinsen noch Dividenden ab.
Nach den Erfahrungen im vergangenen Jahr ist mittlerweile jedem Anleger bewusst, dass der Goldpreis ziemlich rasant nach unten donnern kann - auch wenn diese Entwicklung nicht von allen verstanden wird. «Rein realwirtschaftlich kann ich mir das nicht erklären», sagt Reimann. «Es gibt Anzeichen, dass gewisse Hedge-Funds gezielt Leerverkäufe gemacht haben, um den Goldpreis zu drücken», erklärt er sich den Preiszerfall. Zudem laufe in Europa eine Untersuchung gegen fünf Banken wegen Manipulation des Goldpreises. Tatsächlich prüft die britische und die deutsche Finanzaufsichtsbehörde, ob Banken bei der täglichen Festlegung (Fixing) des Goldpreises Absprachen getroffen haben.
Man muss keine Verschwörungen bemühen, um den Preiseinbruch zu erklären. «Wir erlebten 2013 einen Abfluss von 908 Tonnen Gold aus der populären Anlagekategorie ETF. Gemessen an der jährlichen weltweiten Goldproduktion aus Minen und Altgold von rund 4000 bis 4500 Tonnen ist das ein bedeutender Betrag», erklärt Giovanni Staunovo, Rohstoff-Analyst bei der UBS. Anleger würden sich vom gelben Metall abwenden, weil sie es als weniger notwendig erachteten, «Extremrisiken finanzieller und politischer Natur» abzusichern: «Die Euro-Zone ist stabiler geworden - und in den USA hat sich die Verschuldungsproblematik entschärft», so Staunovo.
Preisrückgänge um bis zu 15 Prozent
Mit dem Abbau der Anleihenkäufe rückt die US-Notenbank Fed von ihrer ultraexpansiven Geldpolitik ab, bis Ende Jahr werden die Anleihenkäufe ganz wegfallen. «In der zweiten Jahreshälfte von 2015 dürften die US-Zinsen langsam wieder ansteigen, was sich negativ auf den Goldpreis auswirken wird», sagt Staunovo voraus. Er geht davon aus, «dass der Preis für die Unze Gold im Laufe dieses Jahres auf 1050 $ sinken wird», das wäre nochmals ein Rückgang von 15,6% im Vergleich zu heute. Sein Kollege Stefan Graber von der CS in Singapur rechnet mit 1150 $ in 12 Monaten, also einem Minus von 7,6%.
Das Initiativkomitee ist vereinfacht davon ausgegangen, dass der Wert des Goldes laufend steigen müsse, je expansiver die Geldpolitik der Notenbanken sei. Doch die von den Notenbanken zusätzlich geschaffene Liquidität ist nicht in den Wirtschaftskreislauf gelangt, die Banken halten viel höhere Reserven als früher. Zudem operiert die Wirtschaft in vielen Teilen der Welt noch weit unter ihrem Potenzialwachstum. «Solange es Überkapazitäten in der Industrie gibt, ist ein Anziehen der Preise unwahrscheinlich», erklärt UBS-Analyst Staunovo. Selbst in den USA zeigt sich trotz einem Wirtschaftswachstum von zirka 3% noch kaum Inflation.
Genau das ist die Kernaufgabe der Notenbanken: Sie sollen für Preisstabilität sorgen und eine stabile Entwicklung der Wirtschaft ermöglichen. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Goldanteil und Geldwertstabilität: Die Schweiz war in der Krise der 1930er Jahre nach jahrelangem Darben zum Beispiel gezwungen, ihren Franken um rund 30% abzuwerten, obwohl ihre Währung damals noch direkt an das Gold gebunden war: Es wäre wirtschaftlicher Selbstmord gewesen, am überhöhten Franken festzuhalten, während alle andern Ländern abgewertet hatten.
Die Initiative ist insofern auch problematisch, als sie die Nationalbank zwar zu massiven Goldkäufen zwingt, aber keine Verkäufe von Gold zulässt, selbst wenn der Goldpreis wieder rasch steigen würde. Die Schweizer Geldpolitik würde sich so ohne Not der Preisentwicklung des internationalen Goldmarktes ausliefern. Eine kontinuierliche, dem Land dienende Geldpolitik wäre auf diese Weise kaum mehr möglich.
Quelle: NZZ am Sonntag, Daniel Hug