Es gibt Themen, über die man nicht so schnell eine Antwort aus dem Ärmel schütteln kann und die auf eine Antwort auf ein ruhiges Wochenende warten müssen.
Value Investing ist so ein Thema.
Also schiessen wir mal los.
Ich stecke mal die Rahmenbedingung, dass wir hier über Investments in Grössenordnung 10-30 Jahre sprechen und uns dabei auch bewusst sind, dass das was über 20 Jahre richtig ist auch mal für ein Jahr falsch sein kann.
Zur Verfügung stehen uns vier Anlageklassen, die alle ihre Vor- und Nachteile haben:
Aktien, Anleihen, Edelmetalle und Immobilien.
Aktien, Edelmetalle und Immobilien sind Sachwerte, die uns auch in Zeiten steigender Teuerung einen Inflationsschutz bieten. Anleihen nicht.
Aktien, Anleihen und Immobilien sind Substanzwerte, die Renditen, Zinsen zahlen. Edelmetalle nicht.
Aktien, Anleihen und Edelmetalle sind liquide und können schnell bei Bedarf gekauft und verkauft werden. Immobilien nicht.
Aktien sind somit die einzige Anlageklasse, die alle Vorteile aufweist. Aktien sind Sachwert, Substanzwerte und liquide. Sie sind also grundsätzlich das beste Anlageinstrument.
Nichts desto trotz gibt es auch Zeiten, in denen andere Anlageklassen Aktien überlegen sind.
Zum Beispiel auf sehr hohem Zinsniveau, wenn die Teuerung den Höhepunkt erreicht, sind Anleihen vorzuziehen. Wer 1979 30-jährige US-Staatsanleihen mit 13% Zinscoupon gekauft und die bis 2009 behalten hat, hat alles richtig und nichts falsch gemacht. Anleihen kauft man also am besten, wenn die Zinskurve ihren Höhepunkt erreicht hat und die Realzinsen zu sinken beginnen. Entsprechend sind Anleihen derzeit das schlechteste Anlagevehikel, denn die Zinsen sind auf Rekord-Tief. Fallen können sie kaum noch. Aber noch oben ist der Weg offen.
Edelmetalle sind dann angebracht, wenn Krisen am Horizont auftauchen oder wenn - wie jetzt - eine Schuldenblase entsteht, deren Platzen man möglichst unbeschadet überstehen will. Wenn Währungen an Vertrauen verlieren weil Regierungen Geld drucken (lassen) und sich ein Reset des Finanzsystems ankündigt. Edelmetalle sind also kein Investment sondern lediglich ein Parkplatz zur Werterhaltung in schwierigen Übergangszeiten.
Immobilien schlussendlich sind ein bisschen von allem. Aber je nach Lage, Verwendungszweck und eingesetztem Vermögensanteil kann man über Immobilien keine allgemeingültigen Aussagen machen, weshalb ich hier darauf verzichte, sie näher zu betrachten.
[SIZE= px]Konzentrieren wir uns also auf Aktien.[/SIZE]
Meine Prämisse jetzt, im Jahr 2012 lautet, dass Aktien nach wie vor noch in einem Bärenmarkt sind, wenn man sie mit Edelmetallen bewertet. Das mag man ihren nominalen Preisen nicht ansehen aber die Preissteigerung bei Aktien ist derzeit der Liquiditätsschwemme und Geldentwertung geschuldet. Nicht dem wirtschaftlichen Erfolg der Firmen. Europa steht vor einer Rezession bzw. ist bereits darin. Die Finanzkrise ist noch nicht ausgestanden. Die Schrottpapiere sind noch nicht abgeschrieben und befinden sich nach wie vor in den Büchern der Banken und neuerdings auch der Zentralbanken und Staaten.
Es gibt also noch einige Blasen, die sich weiter aufblähen und erst mal platzen müssen.
Ein Beispiel:
Vor 20 Jahren betrug das globale BSP 15 Billionen Dollar, der Umfang sämtlicher Derivate 1.5 Billionen. Also 10% des BSP.
Heute beträgt das globale BSP rund 45 Billionen, die Derivateblase ist auf 700 Billionen angestiegen. Also auf das 15-fache des BSP. CDS machen davon 32 Billionen aus. [SIZE= px](Quelle:
http://www.bis.org/publ/qtrpdf/r_qs1203.pdf , Seite 10, Table 4, Stand Juni 2011)[/SIZE]
Es gibt also keine Macht der Welt, die ein Platzen der Derivateblase verhindern oder auffangen könnte. Den Löwenanteil nehmen übrigens Zinsderivate ein. Wenn diese Blase platzt, will man möglichst auf der Seitenlinie im Trockenen stehen und keine staatlichen Papiere in den Fingern haben (also keine Anleihen und keine Papiergeld).
Somit ist der Punkt meiner Meinung nach noch nicht erreicht, wo man Gold in Aktien tauschen sollte.
Dennoch macht es Sinn, sich jetzt schon Gedanken darüber zu machen, welche Aktien man dereinst zu Beginn des nächsten echten und nachhaltigen Aktien-Bullen-Marktes kaufen sollte. Denn eines ist klar und wird durch die Geschichte immer wieder bestätigt: Wenn so eine grosse Blase platzt und eine Währungsreform kommt, ist dies zwar ausserordentlich hässlich und die meisten werden den Grossteil ihres Vermögens verlieren. Danach aber ist die Welt bereinigt und schuldenfrei und es folgt ein 20 jähriger Boom.
Bereiten wir uns also auf diesen Boom der Zeit nach der Währungsreform, dem Frühling des nächsten Kondratieff-Zyklus vor:
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[COLOR= #FF0040]Die grössten nachhaltigen Gewinne sind mit Aktien von Firmen zu machen, die die Basisinnovation des neuen Zyklus bedienen.[/COLOR][/SIZE]
Im ersten Zyklus von 1789-1816 waren das Dampfmaschinen.
Im zweiten Zyklus 1845-1875 Eisenbahnen
Im dritten Zyklus 1896-1922 Alles was mit Elektrizität zu tun hat. Also Elektromotoren, Chemie.
Im vierten Zyklus 1945-1966 das Automobil
Im fünften Zyklus 1981-2000 der Microchip. Also Computer, Elektronik-Geräte, Handys etc.
Was wir aus dieser Liste herauslesen können ist, dass es in jedem Bullenmarkt ein "Schätzchen" gab, das ganz besonders profitabel für jene war, die früh eingestiegen sind. Denken wir z.B. an die Performance von Aktien wie Microsoft, Cisco ab 1981. Später Nokia, Apple.
Wir können aber auch herauslesen, dass die Aktien, die im jeweils vorangegangenen Zyklus die "Schätzchen" waren, im neuen Zyklus nur Frust gebracht haben. Wer also Automobil-Aktien 1945-66 gehalten hat, war auf der richtigen Seite. Aber ab 1981 haben Automobil-Aktien im Wesentlichen nur viel Schmerz und Frust gebracht.
Wir können das auch an anderen Beispielen festmachen: 1900-1920 war mit Eisenbahnen nichts mehr zu verdienen. Wohl aber mit Aktien der neugegründeten Firmen AEG, Siemens, Grundig.
Der Grund für dieses langwierige und uninteressante Ausschweifen in die Vergangenheit ist der, dass ich den Leser für folgende Erkenntnis sensibilisieren möchte:
[SIZE= px][COLOR= #FF0000]Aktien des letzten Zyklus sind im neuen Zyklus uninteressant. [/COLOR][/SIZE]
Mit Aktien von Computer-, Elektronik-, Handy- Herstellern wird man im nächsten Zyklus nichts mehr verdienen können!
Entsprechend stellt sich nun zwangsläufig die Frage, welches denn die "Schätzchen" im 6. Kondratieff sein werden. Wo man sein Geld am besten investieren soll, um im neuen Aufschwung reich zu werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass es in jedem Zyklus auch Firmen gibt, die zwar bei der Basisinnovation dabei sind aber dennoch schlecht wirtschaften.
Auf den 4. Zyklus (Automobil) bezogen: Wer kennt noch Firmen wie DKW, NSU, Vauxhall, Simca?
Auf den 5. Zyklus (Computer). Schneider, Commodore, Atari ... alles kurzfristige Schätzchen, die den eigenen Zyklus nicht überlebt haben.
Die Schwierigkeit, die richtigen Firmen für die Basisinnovationen des kommenden 6. Zyklus zu erkennen, besteht darin, das wir noch gar nicht die Basisinnovation des 6. Zyklus kennen. Und da ich das Wort "Basisinnovation" nun bereits 4 mal verwendet habe, scheint es an der Zeit, diesen Begriff kurz zu erklären.
Jeder Wirtschaftszyklus kommt irgend wann an einen Punkt, wo die Kurve nicht weiter nach oben gehen kann, weil es "irgendwo blockiert". Es fehlt eine wichtige Komponente, damit die Menschheit einen wichtigen Schritt weiterkommt. Eine Basisinnovation ist somit eine Erfindung, auf die die Menschheit gewartet hat und die diese Blockade löst.
Beispiele:
Dank Dampfmaschine konnte die Textilindustrie nun billig und in grossem Massstab produzieren. Aber solange man die Textilien mit Ochsenkarren auf schlammigen Pfaden zu den Kunden karren musste, waren hier Grenzen gesetzt. Die Eisenbahn hat dieses Transportproblem dann sehr effizient gelöst. Erst durch Eisenbahnen und Stahlschiffe konnten Waren nun auch international schnell und billig transportiert werden.
Die Eisenbahn verbindet aber nur lange Strecken und Knotenpunkte. Sie holt die Ware nicht beim Lieferanten und stellt sich nicht an die Rampe des Kunden. Dieses Problem der Feinverteilung konnte erst mit dem Auto/LKW gelöst werden.
Die sich aus diesem Wachstum in der Logistik ergebenden Probleme (z.B. Lagerbuchhaltung) konnten erst mit dem Computer effizient gelöst werden.
Die Frage nach der nächsten Basisinnovation muss also mit der Frage nach Problemen beginnen, die uns derzeit am Weiterkommen hindern.
Zu dieser Frage habe ich zwar eine Reihe von Ideen aber keine abschliessende Meinung. Aber vielleicht können wir gemeinsam die nachfolgende Liste erweitern und verfeinern:
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Gesundheit: Die Menschen werden zwar immer älter aber nicht gesünder älter. Dadurch werden wertvolle Ressourcen durch die Pflege alter, kranker Menschen gebunden. Ein Alzheimer-Patient leidet im Schnitt 9 Jahre an seiner Krankheit bis er stirbt und muss in den letzten Jahren 24/7 betreut werden.
Idealfall wäre: Wir werden 80 Jahre alt und sind gesund und rüstig bis zum Tod.
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Recycling: Wertvolle Ressourcen wie Kupfer und Öl werden immer knapper, das Erschliessen neuer Vorkommen immer aufwändiger, die Ausbeute (z.B. Kupfer pro Tonne) immer geringer. Entsprechend dürfte es über kurz oder lang Sinn machen, die bestehenden Schätze auf Mülldeponien aufzuarbeiten.
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Energie: Das Problem liegt in der Speicherung, den Batterien: Elektroautos könnten der absolute Renner werden, würden sie mit einem Batterie-Satz weiter fahren, würde das Laden nicht so lange dauern und wären die Batterien nicht so schweineteuer. Der Batteriesatz eines Tesla kostet $40'000
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Energie: Über kurz oder lang müssen wir davon abkommen, Erdöl zu verbrennen. Wir brauchen Erdöl für wichtigere Dinge: Plastik, Farben, Kosmetische Produkte etc. Es bieten sich an: Erdwärme, Gezeitenkraftwerke, Wind- und Sonnenenergie, Kalte Fusion. Das Ganze muss natürlich zusammen mit dem erwähnten Batterie-Problem gelöst werden.
Weitere Vorschläge? (jetzt seid ihr gefragt).
Eine Basisinnovation ist also eine Erfindung, die die Menschheit wirklich braucht und für die jeder Mensch bereit ist, Geld auszugeben. Neben den Gebieten Gesundheit und Energie sehe ich im Moment nichts, lasse meinen Horizont aber gerne erweitern.
Wenn wir also die wichtigsten Probleme ausgemacht haben, können wir uns im 6. Zyklus auf die Aktien exakt jener Firmen stürzen, die diese Innovation zur Marktreife weiterentwickelt haben und als fertiges Produkt verkaufen.
Dabei muss es sich nicht zwingend um eine neue Erfindung handeln. Das Auto wurde ja auch bereits um die Jahrhundertwende erfunden aber so richtig zum Renner wurde es erst ab den 1950er Jahren.
Und Computer gibt es bereits im 4. Zyklus aber erst im 5. wurden sie zum Massenprodukt.
Zurück zur Ausgangsbasis, dem Value-Investing:
Ich habe versucht, darzulegen, dass es am erfolgversprechendsten ist, auf Firmen der Basisinnovation des aktuellen Zyklus zu setzen. Dabei müssen wir allerdings diversifizieren, denn es wird Firmen geben, die zwar auf die richtige Basisinnovation setzen und dennoch nicht überleben. Wir hätten 1981 nicht gewusst, ob MS-DOS oder CP/M zum Renner werden würde. Oder in den 90ern UNIX, Windows oder OS/2.
Daneben gibt es auch immer Firmen, deren Produkte unabhängig von der jeweils aktuellen Basisinnovation gefragt sind. Firmen im Bereich Lebensmittel, Pharma, Chemie und Energie. Eine Nestlé, Coca-Cola, Pampers (pardon: Procter & Gamble), Roche, Novartis, Exxon, Royal Dutch wird wohl immer und in unabhängig vom Zyklus gute Geschäfte abwickeln und regelmässige Dividenden zahlen. Aber natürlich wird man mit diesen defensiven Titeln nicht so schnell so reich wie mit den neuen "Schätzchen" des nächsten Zyklus, die es in den nächsten Jahren zu identifizieren gilt.