Dass steigende Zinsen mit einer tieferen Aktienkursen einhergehen, ist ein weit verbreiteter Irrglaube.
Logischerweise, steigen die Märkte mit steigenden Zinsen.
Wenn die Zentralbanken die Zinsen erhöhen, bekämpfen sie die Inflation (steigende Preise).
Ich meine, wir dürfen Zinsen und Teuerung nicht vermischen. Beide können sich parallel bewegen - und tun dies meist auch - aber sie können auch divergieren.
Oder - was am wahrscheinlichsten ist - das eine steigt schneller als das andere.
Entsprechend haben die Zinsen auch Auswirkungen darauf, welche Anlageklasse jeweils zu bevorzugen ist und was Zinsen jeweils für Auswirkungen haben.
Ich habe mal versucht, das zusammenzutragen:
Gehen wir's mal die Alternativen zu Aktien durch:
Anleihen
Selbst Staatsanleihen haben ihren Nimbus als sicherste aller Wertpapiere verloren. Die Renditen der sicheren Staatsanleihen (CH, EU, USA) sind am Boden. Will man Rendite muss man in riskantere Anleihen investieren (PIIGS, Schwellenländer). Ausserdem können Anleihen im Preis kaum noch steigen, da die Zinsen nicht mehr sinken können. Und einen Inflationsschutz bieten Anleihen schon gar nicht.
Immobilien
Sicher ein zu individuelles und komplexes Thema, um es in wenigen Sätzen abzuhandeln. Der Schweizer Immobilienmarkt ist bereits sehr hoch gelaufen. Manche sprechen bereits von einer Blase. Sollten die Zinsen steigen, werden die Immobilienpreise einbrechen und gute Rendite-Objekte zu finden ist sehr schwierig geworden.
Cash
Keine gute Idee, wenn wir wissen, dass die Zentralbanken eine höhere Teuerung anstreben. Cash bietet bekanntlich genau so wenig Teuerungsausgleich wie Anleihen. Und Cash bringt keine Zinsen.
Gold
Bietet zwar einen besseren Teuerungsausgleich als Aktien aber keine Rendite. Wer also mit Gold in der Hand auf günstigere Aktienpreise wartet, ist sich bewusst, dass ihm während der Wartezeit Dividenden durch die Lappen gehen.
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Anders als vor dem Platzen der dotcom-Blase haben wir heute vernünftige Argumente, die für Aktien sprechen. Und sei es auch nur das Argument, dass alle anderen Anlageklassen schlechter oder riskanter sind als Aktien. Mit einem KGV von rund 20 sind Aktien historisch betrachtet teuer. Das durchschnittliche KGV der letzten 100 Jahre lag bei 14.5. So gesehen haben Aktien ein Abwärtspotenzial von 30%, um wieder auf Normal-Niveau zu kommen.
Allerdings ist das Zinsniveau niedriger als im 100-jährigen Durchschnitt und deshalb sind die niedrigen Renditen der Aktien (und somit die Aktienpreise) derzeit durchaus gerechtfertigt.
Das bedeutet unter dem Strich, dass die Entwicklung von Zinsen und Teuerung für die weitere Entwicklung verantwortlich sein werden. Wobei sich Zinsen und Teuerung unabhängig voneinander entwickeln können. Somit haben wir 4 Möglichkeiten, die jeweils andere Assetklassen bevorzugen (+) oder benachteiligen (-) oder neutral sind (=)
Zinsen sinken, Teuerung sinkt oder bleibt gleich
+ Aktien
+ Anleihen
+ Immobilien
+ Cash
= Gold
Im Wesentlichen also eine Fortführung des Trends, den wir seit 2009 erleben.
Zinsen sinken, Teuerung steigt
+ Aktien
- Anleihen
++ Immobilien
-- Cash
+ Gold
Bei steigender Teuerung und gleichbleibenden Zinsen sind also Investments gefragt, die Inflationsschutz bieten. Das sind vor allem Immobilen und auch Aktien und Gold
Zinsen steigen, Teuerung sinkt oder bleibt gleich
- Aktien
+ Anleihen
-- Immobilien
+ Cash
- Gold
Das ist ein bisschen das Szenario, das sich 2012 mit den ersten Tapering-Gerüchten angekündigt und für den einen oder anderen Schluckauf bei Sachwerten gesorgt hat. Unter dem Strich also eine Bevorzugung von Geldwerten gegenüber Sachwerten.
Aus Sicht der Zentralbanken wäre dieses Szenario das exakte Gegenteil dessen, was sie wollen, denn bei steigenden Zinsen müssen die hochverschuldeten Staaten mehr Geld für den Schuldendienst aufbringen, ohne dabei mehr Steuereinnahmen generieren zu können.
Zinsen steigen, Teuerung steigt
Hier müssen wir unterscheiden, welches von beiden stärker steigt. Ob also die Realzinsen (= Zinsen minus Teuerung) sich positiv oder negativ entwickeln:
* Zinsen steigen stärker als Teuerung
- Aktien
+ Anleihen
-- Immobilien
= Cash
- Gold
Im Wesentlichen das Szenario, das wir seit Mitte 2013 haben, allerdings verstärkt. Wir hatten 2013 ja nur einen kurzen und marginalen Zinsschub.
Steigende Realzinsen bedeuten positive Renditen für Obligationäre, die mit ihren Anleihen zufrieden sind.
Sie bedeuten andererseits Druck auf den Konsum und die Unternehmen, die die höheren Zinskosten nicht vollumfänglich weitergeben können.
* Teuerung steigt stärker als Zinsen
= Aktien
- Anleihen
+ Immobilien
- Cash
+ Gold
Negative Realzinsen sind der feuchte Traum der verschuldeten Staaten weil die Schulden real entwertet werden. Dies ist also das Ziel, das die Zentralbanken anstreben.
Eben so freuen sich Aktionäre und Hauseigentümer über steigende Preise. Allerdings ist die Freude nicht ganz gerechtfertigt, denn die Preissteigerung bei Sachwerten gleicht in der Regel nur die Teuerung aus.
Anders bei Goldbesitzern, denen negative Realzinsen eine Hausse beschert, die über den Teuerungsverlust hinaus geht. Vor allem dann, wenn der Markt von weiter steigender Teuerung ausgeht (Beispiel die 1970er Jahre) und vermehrt Anleger in Gold rennen.
Für die Halter von reinen Geldvermögen (also Anleihen und Cash) sind negative Realzinsen der blanke Horror, weil ihnen die Teuerung die mageren Renditen mehr als wegfrisst und sie real Vermögen verlieren.
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Man darf davon ausgehen, dass die meisten Grossanleger, Hedge-Fonds dieses Regelspiel im Auge behalten. Man sieht das auch sehr gut an den jeweiligen Kommentaren, die fast alle ins selbe Horn blasen: "Man kommt im Moment an Aktien nicht vorbei. Aktien sind alternativlos. Aber wir behalten die Zinsen und Wirtschaftsindikatoren scharf im Auge und sind ggf. jederzeit bereit, zu reagieren".