29-11-2013 11:47 FOKUS/ABB meint es ernst mit der der Solarinitiative Zürich (awp) - ABB setzt voll auf die Kraft der Sonne, während andere Industriekonzerne wie Siemens oder Bosch ihr Solargeschäft im grossen Stil einstampfen, einstellen oder veräussern. Konzernchef Ulrich Spiesshofer gab Anfang November ein klares Bekenntnis zu dem Bereich ab und seine Solarchefin zeichnete auf einer Tour durch die USA ihre Vision, wie die Zukunft der Photovoltaik (PV) aussehen könnte.Mitten in der schwersten Branchenkrise verleibte sich ABB diesen Sommer das US-Unternehmen Power One für eine Milliarde US-Dollar ein. "Wegen Wind und Solar sind viele nervös. Ich bin es nicht", erklärte CEO Ulrich Spiesshofer an einem Medienanlass in New York. Darf er auch nicht, war er es doch, der den Deal eingefädelt hatte, damals noch als Divisionsleiter.Power One ist ein Hersteller von so genannten Wechselrichtern, einer zentralen Komponente jeder Photovoltaik-Anlage. Wechselrichter wandeln den Gleichstrom der Solarzellen in Wechselstrom, der dann ins Netz eingespeist werden kann. Ihre Leistungsfähigkeit ist entscheidend für die Effizienz einer Anlage.DENKEN IN DEKADENWechselrichter sind zwar anders als Zellen und Module, deren Hersteller wegen des Preisverfalls und des hohen Konkurrenzdrucks ums Überleben kämpfen, keine einfach zu produzierende Massenware. Der Markt gilt allerdings ebenfalls als schwierig. Auch diese Geräte gerieten mit der Krise der Solar-Industrie unter Preisdruck und die Erneuerungszyklen sind kurz und verlangen hohe Forschungsausgaben."Ich denke nicht in Quartalen, sondern in Dekaden", stellte Spiesshofer mit Blick auf das Solargeschäft klar. ABB habe die "intelligenten" Teile aus der Wertschöpfungskette ausgewählt, also die Teile, wo das Unternehmen mit seinem Leistungselektronik-Angebot einen Unterschied machen könne. Und sicher sei auch, dass ABB nicht in Solarzellen investieren werde.In den nächsten Jahrzehnten würden zweifellos weiter grosse Investitionen in traditionelle Energieformen fliessen, so Spiesshofer. Dies werde aber auch bei den erneuerbaren Energieformen geschehen. "Wir positionieren uns für den langfristigen Gewinn", erklärte der ABB-Chef.POWER ONE SCHLIESST WICHTIGE LÜCKEABB ist seit über 20 Jahren im Solar-Geschäft tätig, das Angebot reicht von einzelnen Komponenten bis hin zur schlüsselfertigen Photovoltaikanlage. So kündigte ABB just Anfang November einen Auftrag über 80 Mio USD zum Bau eines PV-Kraftwerks in Ontario an. Es wird Kanadas grösste Anlage dieser Art sein.Mit den Wechselrichtern von Power One hat ABB nun aber eine wichtige Lücke im Solar-Portfolio geschlossen, erklärte Maxine Ghavi, die Verantwortliche für die "Solar Initiative" bei ABB. Das Unternehmen hatte zwar bereits ein Angebot für den Wechselrichter-Markt, aber nur für industrielle Anwendungen, und keine Präsenz in Nordamerika."Wir können jetzt das umfassendste Leistungsversprechen der PV-Industrie abgeben", so Ghavi. Von ABB kommt ein breites Angebot im Bereich Leistungselektronik, mit einem immer stärkeren Fokus auf das intelligente Stromnetz (Smart Grid). Und mit den Wechselrichtern von Power One kann ABB nun eine Brücke zwischen der Erzeugung von Solarstrom und den schlauen Netzen schlagenDenn Ghavi ortet die Zukunft von ABB in der Photovoltaik dort, wo Solarstrom und Smart Grids aufeinandertreffen: Dort, wo Leistungselektronik und Software gefragt sind. Zwei der wichtigsten Anwendungen, die Ghavi in den kommenden Jahren im Visier hat, sind Hybrid-Mikronetze und intelligente Gebäude.HYBRIDE MIKRONETZE UND INTELLIGENTE GEBÄUDEHybride Mikronetze kombinieren eine oder mehrere erneuerbare Stromquellen mit Dieselgeneratoren, falls Wind und Sonne ausfallen. Solche Lösungen werden von der Internationalen Energieagentur als "Strom für die Dritte Welt" propagiert, können nach den Vorstellungen von ABB aber auch ganze Industrie- und Wohnanlagen in unseren Breitengraden zum Laufen bringen.Das "Smart House" ist eine logische Fortsetzung des "Smart Grids. Hier sieht ABB die Möglichkeit, Solarstromerzeugung, Gebäudeautomation, Energiespeicher und Ladestationen für Elektrofahrzeuge zusammen zu bringen und intelligente Häuser vollständig in das Stromnetz zu integrieren.Die dezentrale Stromerzeugung wird daher nach Ansicht von Bob Stojanovic, Leiter Solar in Nordamerika bei ABB, zentralen Anlagen zunehmend den Rang ablaufen. "Wird Solar eher mitten in der Wüste oder eher auf dem Dach zulegen?", fragte Stojanovic. "Ich würde sagen, es ist auf dem Dach."Ein weiterer Vorteil der dezentralen Produktion für den Eigengebrauch liege beim nicht benötigten Netzanschluss. Denn das Wachstum der erneuerbaren Energien macht die Stromversorgung immer anspruchsvoller, was sich an den Problemen mit dem stockenden Netzanschluss für viele Windparks ablesen lässt. Daher werde der Solarmarkt schneller als die Windenergie wachsen, ist man bei ABB überzeugt.ABBs SOLARINITIATIVE"Bei ABB arbeiten 150'000 Menschen in fünf verschiedenen Divisionen, aufgeteilt in 26 Business Units. Und fast alle können einen Beitrag zu unserem Solarangebot liefern", erklärte Ghavi in Las Vegas. Ihre Aufgabe sei es, die Lösungen und Produkte von ABB für den Solarmarkt zu einem Angebot aus einer Hand zu bündeln - ganz im Sinne von "One ABB".Zu diesem Zweck rief ABB vor rund zweieinhalb Jahren die sogenannte "Solarinitiative" ins Leben und holte Ghavi von OC Oerlikon. Ghavis Position ist bei den Gruppenfunktionen angesiedelt, gleich wie die entsprechenden Initiativen für die Marktbereiche Smart Grids, Wind und Rail.Und Ghavi denkt bereits wieder in die Zukunft: "Die von unserem neuen CEO angekündigte Absicht, die Zusammenarbeit im Unternehmen stärker zu fördern, macht mich für meinen Bereich zuversichtlich." Das werde es erlauben, die Entwicklung bei ABB Solar noch weiter voranzutreiben.GEWALTIGER ENERGIEHUNGERDie Solar-Chefin untermauerte ihre Ambitionen mit verschiedenen Zahlen: So soll der globale Energiekonsum gemäss den jüngsten Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) bis zum Jahr 2035 um 35% steigen. Die Nachfrage nach Elektrizität werde noch stärker zunehmen. "Bis 2035 wird China gleich viel Elektrizität wie die USA und die EU zusammen verbrauchen", illustrierte Ghavi die insbesondere in den aufstrebenden Regionen steigende Nachfrage.Und dieser Energiehunger muss gestillt werden, das heisst, das Angebot muss deutlich steigen. Dazu werde PV einen massgeblichen Beitrag liefern, ist Ghavi überzeugt. Als schnellstwachsende Quelle werde PV bis 2035 bereits 6% der weltweit produzierten Elektrizitätsmenge bestreiten; 2010 war es erst 1%.Ghavi rechnet zwar kurzfristig mit einem volatilen und fragmentierten PV-Markt, in der langen Frist aber mit stabilen Marktverhältnissen und "gewaltigen" Wachstumsmöglichkeiten. "Solar passt perfekt zu ABB und zu unseren Visionen. Unser Bekenntnis zu dem Geschäft ist unbedingt", resümierte sie.KEINE GEFAHR DURCH SCHIEFERGASDer in den USA losgetretene Schiefergas-Boom gefährdet den Business Case "Solar" nicht, ist ABB überzeugt. Schiefergas und Solar würden vielmehr koexistieren. "Die Energienachfrage wird steigen und keine Quelle kann den Bedarf alleine stillen. Es wird auch in Zukunft einen Energie-Mix geben", erklärte Ghavi.Wenn es einer Energieform an den Kragen geht, dann ist es, zumindest in den USA, die Kohle. Diese bestreitet noch rund 37% der US-Stromproduktion. "Schiefergas wird Kohle in den USA als Grundlast-Technologie ablösen", vermutet Stojanovic. Seine Annahme wird nicht zuletzt von Ideen der amerikanischen Umweltbehörde EPA gestützt.Die EPA hat in diesem Jahr deutlich strengere Grenzwerte für neue Kohlekraftwerke vorgelegt und so einen Abschied von der Technologie vorbereitet. Denn die festgelegte Kohlendioxid-Obergrenze je Kilowattstunde liegt weit unterhalb dessen, was selbst die neuesten und modernsten Anlagen erreichen. Bleibt es bei diesen Vorgaben, könnte in den USA bald kein neues Kohlekraftwerk mehr errichtet werden.