Sind die Konsumentenpreise wirklich eine (Haupt-) Funktion der Geldmenge (wie u.a. von M. Friedman stupuliert)?
Es werden immer wieder historische Begebenheiten für die Projektion der Inflation verwendet. .. als ob es hier um physikalische, d.h. reproduzierbare Gesetze gehen würde. Die Preisstabilität der letzten Jahre trotz Geldmengenzuwachs wird volksdümmlich mit Ketchup-Flaschen-Effekt erklärt. Nach ein paar Erschütterunen entleere sich die Flasche plötzlich und unkontrolliert (Hyperinflation). Warum könnte es nicht sein, dass man heute das kontrollierte Entleeren einer Ketchup-Flasche besser im Griff hat als zur Anfangszeit des Ketchups?
Milton Friedman hat vor einigen Jahren mal die Geldmengenentwicklung von 113 Ländern über einen Zeitraum von (soweit ich mich erinnere, finde die Studie nicht mehr) 60 Ländern analysiert. In 111 Fällen führte eine Ausweitung der Geldmenge zu Teuerung. Die beiden Ausnahmen waren Japan und Oman. Im Durchschnitt führte eine Inflation der Geldmenge von 1% zu einer Teuerung von 0.9%
Eine Relation zwischen Inflation und Teuerung ist also nicht von der Hand zu weisen. Die Trefferquote von 98% spricht dafür. Nicht zuletzt deshalb wird von den meisten Menschen Inflation (eigentlich "Ausweitung der Geldmenge") mit Teuerung (Preissteigerung) gleichgesetzt.
Der logische Zusammenhang besteht in der ursprünglichen Definition von Geld: Geld ist ein Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel. Ich tausche also Arbeit oder Kapital gegen Geld (Lohn, Zinsen) und tausche wiederum Geld gegen die Güter und Dienstleistungen, die mich und meine Familie am Leben erhalten. Und was ich jetzt nicht brauche spare ich fürs Alter.
Daraus ergibt sich, dass es ein Gleichgewicht zwischen der Geldmenge und der Gütermenge geben muss. Der Preis ist der Regulator zwischen diesen beiden Waagschalen.
Wird nun Geld dem Güterkreislauf entzogen indem es z.B. gespart wird, unter der Matratze gehortet oder Schulden zurückbezahlt, verringert sich die Umlaufgeschwindigkeit und somit die rechte Waagschale (Geldmenge * Umlaufgeschwindigkeit) und es kommt zu einer Deflation, zu niedrigeren Preisen.
Das ist die Situation seit 2008. Die Umlaufgeschwindigkeit verringert sich und die Zentralbanken versuchen seither verzweifelt die Waage im Gleichgewicht zu halten, indem sie mehr Geld nachschütten. Ich habe das ja ausführlich dargelegt.
Deine Frage nach dem kontrollierten Entleeren der Ketchup-Flasche ist gleichermassen berechtigt wie auch spannend.
Wir haben derzeit auf diesem Planeten etwa 10 mal so viel Geld wie Dinge, die man dafür kaufen kann. Das bedeutet, dass sich 90% der Geldmenge in der Ketchup-Flasche befindet.
Wenn sich dieses Geld auf die Realwirtschaft ergiesst, dann steigen dort entsprechend die Preise. In den letzten Jahren ist dieses Geld in die Anleihen- und Aktienmärkte geflossen und hat dort für entsprechende Preissteigerung bereits gesorgt. Würde nun beispielsweise dieses Geld dazu verwendet, Agrarland zu kaufen, würden entsprechend die Bodenpreise in die Höhe schiessen. Und wenn davon Rohstoffe gekauft werden, die Rohstoffpreise.
Das Haupt-Problem ist, dass die Zentralbanken diese Geldmenge nicht kontrollieren. Das Geld befindet sich in den Händen von Banken, Pensionskassen, Hedge-Fonds, Superreichen und die bestimmen ganz alleine und individuell, wann und wofür sie dieses Geld anlegen. Wenn es also zu Umschichtungen kommt, können Staaten und Zentralbanken nichts dagegen unternehmen.
Hinzu kommt, dass wir aus Erfahrung wissen, dass das Geld oft einem Herdentrieb folgt. Es genügt, wenn EINE Grossbank ihre Aktien verkauft und gross in den Immobilienmarkt einsteigt und alle anderen rennen mit. Gegen den folgenden Fall der Aktienpreise und Anstieg des Immobilienmarktes wäre kein Kraut gewachsen.
Das zweite Problem ist, dass die Geldmenge verzinst werden muss. Und zwar durch Leistungen der Realwirtschaft. Das bedeutet, dass die Realwirtschaft Zinsen für eine Geldmenge aufbringen muss, die um Faktor 10 zu hoch ist. Denn wie oben erwähnt ist die Geldmenge etwa 10 mal so hoch wie aufgrund des Güterkreislaufs benötigt. Das ist etwa so als hättest Du einen Kredit über Fr. 1000, müsstest aber Zinsen für einen Kredit von 10'000 bezahlen.
Das bedeutet, dass die Produktivitätssteigerung, die die Menschheit durch Intelligenz und Effizienz regelmässig erzielt, nicht mehr in höhere Löhne, niedrigere Arbeitszeit, bessere Schulbildung oder Infrastruktur investiert werden kann, weil sie im bodenlosen Loch der Zinszahlungen gänzlich verschwindet.
Schönes Beispiel ist Deutschland: Hier wurde das BSP seit 1990 verdoppelt. Dennoch sind die Reallöhne gesunken.
Kommen wir zu Deiner Frage: "
Warum könnte es nicht sein, dass man heute das kontrollierte Entleeren einer Ketchup-Flasche besser im Griff hat als zur Anfangszeit des Ketchups?"
Das seit 2008 neu geschaffene Geld hat der Wirtschaft nichts gebracht sondern nur dem Finanz-Casino. Entsprechend kann man argumentieren, dass es möglich sein sollte, das Gegenteil durchzuziehen. Also das Geld in einer Form abzuziehen, dass es aus dem Finanz-Casino abfliesst, ohne Schaden in der Realwirtschaft anzurichten.
Es wird wie gesagt schwierig, denn unsere Gesellschaft unterscheidet ja nicht zwischen Geld, das mit Arbeit und Schweiss hart erarbeitet wird und andererseits Geld, das von Banken leistungslos aus dem Nichts geschöpft wurde.
Man müsste entsprechend die Methoden, Geld abzuziehen derart steuern, dass nur das Casino-Geld abgeschöpft wird und nicht das real erarbeitete.
Einige Ansatzpunkte, in diese Richtung:
* Transaktionssteuer (
Tobin-Tax) im cent-Bereich für Trading. Der normale Anleger würde eine zusätzliche Transaktionssteuer von vielleicht einem Rappen nicht spüren. Es würde aber dem Hochfrequenzhandel (HFT) mit Tausenden von Trades pro Sekunde einen Riegel schieben. Voraussetzung ist natürlich, dass sich alle Länder, die elektronische Börsen betreiben, anschliessen. Ansonsten zieht der HFT einfach um.
* Hohe oder einmalige Vermögenssteuer für die reichsten 1% oder 10% und Verwendung dieser Steuer zur Rückzahlung der Staatsschulden.
* Wiedereinführung von
Glass-Steagal. Also der Trennung von Geschäftsbank und Investmentbank, zwischen Realwirtschaft und Finanz-Casino. Investmentbanken dürften dann bei Problemen in Konkurs geschickt werden, ohne dass dies negative Auswirkungen auf die Kreditversorgung der Realwirtschaft hätte.
* Strengere Regulierungen und Verbot von CDS und anderen Finanz-Instrumenten, die Warren Buffet als "Financial Weapons of mass Destruction" beschrieben hat.
CDS machen Sinn, um sich gegen Verlust eines Wertpapieres im eigenen Besitz abzusichern. Beispiel: Ich habe griechische Staatsanleihen und möchte mich gegen eine Versicherungsgebühr gegen den Totalverlust absichern. Sollte entsprechend Griechenland zahlungsunfähig werden, bekäme ich meinen Schaden ersetzt. Also ähnlich wie eine Feuerversicherung auf mein Haus.
CDS kann ich heute aber auch auf Papiere abschliessen, die ich gar nicht besitze. Das wäre dann so als würde ich eine Feuerversicherung auf DEIN Haus abschliessen. Das macht aber keinen Sinn und bringt grosse Gefahren.
Denn: Angenommen 1000 Spekulanten schliessen eine Feuerversicherung auf Dein Haus ab, dann gibt es zwei Probleme:
1. Wenn Dein Haus abbrennt, muss die Versicherung das 1000-fache des Wertes Deines Hauses bezahlen. Das kann ihr das Genick brechen und somit bekommst Du als eigentlicher Hausbesitzer vielleicht gar nichts.
2. Im Gegensatz zu Dir selbst hat keiner der 1000 Spekulanten irgend einen Bezug und Liebe zu Deinem Haus. Die Wahrscheinlichkeit, dass Dich einer mal mit einer Streichholzschachtel besuchen kommt ist somit nicht von der Hand zu weisen.
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Fazit: Die Ketchup-Flasche ist überdimensioniert und gut gefüllt. Bildlich wäre wohl ein voller Stausee das bessere Beispiel als eine Ketchup-Flasche.
Die Zentralbanken haben nicht die geringste Kontrolle darüber, wer wann was mit seinem Geld anstellt. Niemand kann die Eigentümer dieses Überschusskapitals daran hindern, von einem Tag auf den anderen umzuschichten, bestehendes zu verkaufen und etwas anderes zu kaufen und somit Preissturz beim einen und Preis-Hausse beim anderen Gut auszulösen.