Wobei ich bei Putin auch vermute der hat andere Interessen im Hinterkopf als das Wohl der syrischen Bevölkerung.
Putin ist ein schlauer Fuchs. Da war Gestern ein interessanter Artikel in der Welt.
[SIZE= px]Wladimir Putins Meisterwerk der Gegenpropaganda[/SIZE]
Mit seinem Beitrag für die "New York Times" mischt sich Russlands Präsident in die amerikanische Syrien-Debatte ein. Geschickt versucht er, Amerikas Kriegsmüdigkeit für seine Zwecke zu nutzen.
Seit mehr als zwei Jahren ist Wladimir Putins Russland der wichtigste Gegenspieler Amerikas in der Frage, wie die internationale Gemeinschaft mit dem Syrien-Konflikt umgehen soll. Nun bedient sich der russische Präsident eines ungewöhnlichen Mittels: Mit einem Meinungsbeitrag in der New York Times greift er direkt in die interne amerikanische Debatte über einen Militärschlag gegen Syrien ein.
Das ist ein erheblicher Affront gegenüber US-Präsident Barack Obama. Und es ist ein brillantes Stück Gegenpropaganda, das zeigt, wie gut Putin einst vom KGB geschult worden ist. Zielgenau identifiziert er die Schwachstellen seines Gegenspielers Obama und nutz die Möglichkeiten der amerikanischen Demokratie mit ihrer offenen und kontroversen Debatte. Eine Art von offener Auseinandersetzung, die Putin im eigenen Land nie zulassen würde.
Putin macht sich damit auch geschickt eine Taktik Obamas zu eigen. Der hat etwa in seiner Kairoer und seiner Jerusalemer Rede explizit versucht, an den jeweiligen Regierungen vorbei direkt mit den Bürgern dieser Länder zu kommunizieren. Nun wendet sich Putin direkt und ungefiltert (etwa durch unangenehme Journalistenfragen) an das amerikanische Volk.
Wir dokumentieren und kommentieren hier die wichtigsten – und die verlogensten – Passagen von Putins Meinungsstück. Putin steigt ein mit einer direkten Ansprache an das amerikanische Volk und an seine politischen Führer und verteidigt seine Einmischung in die US-Debatte:
Es ist wichtig dies zu einer Zeit zu tun, an der es eine nur unzureichende Kommunikation zwischen unseren Gesellschaften gibt.
Das ist eine interessante Einlassung, wenn man bedenkt, dass der Kreml diese Kommunikation zwischen den Gesellschaften seit geraumer Zeit aktiv behindert. Vor allem mit dem neuen Gesetz zur Einschränkung der Arbeit ausländischer Nichtregierungsorganisationen, die versuchen, das Gespräch mit der russischen Zivilgesellschaft aufrecht zu erhalten.
Ausländische NGOs und russische Organisationen, die mit Geld aus dem Ausland unterstützt werden, gelten in Russland nun als feindliche Agenten und werden inzwischen auch gerichtlich verfolgt. Als nächstes verteidigt Putin das internationale Staatensystem und beharrt darauf, dass es kein Handeln vorbei am UN-Sicherheitsrat geben dürfe:
Die Gründer der Vereinten Nationen hatten verstanden, dass Entscheidungen über Krieg und Frieden nur im Konsens fallen und mit Amerikas Zustimmung wurde das Vetorecht der permanenten Mitglieder des UN-Sicherheitsrates in die UN-Charta eingeschrieben. Die tiefere Weisheit die darin lag war jahrzehntelang die Basis für die Stabilität der internationalen Beziehungen. Niemand möchte, dass die Vereinten Nationen das Schicksal des Völkerbundes erleiden, der in sich zusammenfiel, weil er keinen wirklichen Einfluss hatte. Das wäre aber möglich wenn einflussreiche Länder die Vereinten Nationen umgehen und Militärschläge ohne Autorisierung des Sicherheitsrates vornehmen
Tatsächlich hatte das Vetorecht der Sowjetunion im UN-Sicherheitsrat im Kalten Krieg dazu geführt, dass die UN über Jahrzehnte hinweg gänzlich irrelevant war als Akteur und als Wahrer der internationalen Ordnung. So irrelevant, wie der UN-Sicherheitsrat in den vergangenen Jahren in Sachen Syrien wieder geworden ist durch das russische Veto.
Es war also Russlands Blockadehaltung, die dazu führte, dass die UN "keinen wirklichen Einfluss" hatte und die es nötig machte, die Durchsetzung internationaler Normen am UN-Sicherheitsrat vorbei zu erwägen. Wer das internationale System nachhaltig beschädigt hat, ist also Putin und nicht Obama. Dann widmet sich Putin den Folgen eines Angriffs:
Ein möglicher Schlag der Vereinigten Staaten gegen Syrien, (...) wird noch mehr unschuldige Opfer fordern und eine Eskalation mit sich bringen, die den Konflikt möglicherweise weit jenseits der syrischen Grenzen ausweitet.
Als wenn die unschuldigen syrischen Opfer und die inzwischen schon mehr als 100.000 Toten die Russen in den vergangenen Jahren irgendwie interessiert hätten, als sie Baschar al-Assad mit den Waffen ausgestattet haben, um den Krieg gegen bewohnte Gebiete immer weiter zu eskalieren, und ihn vor den politischen Folgen seines Kampfes gegen die Zivilbevölkerung stets bewahrt haben.
Auch der Flächenbrand, von dem Putin spricht, ist ja längst eingetreten. Der syrische Bürgerkrieg hat inzwischen auf Libanon und Irak übergegriffen und destabilisiert auch Jordanien.
Ein Militärschlag könnte die multilateralen Bemühungen um eine Lösung des iranischen Nuklearproblems und des israelisch-palästinensischen Konfliktes untergraben und den Mittleren Osten und Nordafrika weiter destabilisieren. Er könnte das ganz System des internationalen Rechts und der internationalen Ordnung aus dem Gleichgewicht bringen.
Tatsächlich würde ein Militärschlag die Verhandlungen um Irans Atomprogramm nur dann gefährden, wenn Moskau es darauf anlegen würde. Ansonsten ist davon auszugehen, dass die iranische Bereitschaft zur einer Verhandlungslösung erheblich zurückgehen würde, wenn Assads Überschreiten von Obamas roter Linie keine Folgen haben würde und die Iraner kalkulieren könnten, dass Obamas rote Linie was das iranische Atomprogramm anbelangt genauso wenig Bestand haben würde wie die, die Obama in den syrischen Sand gezeichnet hatte.
Was das internationale System anbelangt: Bis vor kurzem hat Moskau alles getan, um die Aufrechterhaltung eines zentralen Pfeilers der internationalen Ordnung, das Chemiewaffenverbot, zu torpedieren. Auch hier vermischt Putin actio und reactio auf geschickte Art und Weise. Dann sorgt sich Putin um die Demokratie in Syrien:
Syrien erlebt keinen Kampf um die Demokratie, sondern einen bewaffneten Konflikt zwischen der Regierung und der Opposition in einem multireligiösen Land. Es gibt in Syrien wenige Verfechter der Demokratie.
Man wusste gar nicht, dass Putin die Demokratie so am Herzen liegt. Schließlich hat er mit der Einschüchterung von Opposition und Medien im eigenen Land und mit Wahlfälschungen dafür gesorgt, dass man von Demokratie in Russland kaum noch reden kann.
Dieser interne Konflikt, angeheizt durch ausländische Waffen für die Opposition, ist einer der blutigsten der Welt.
Dass der Syrien-Konflikt einer der blutigsten der Welt wurde, hat vor allem damit zu tun, dass Russlands Klient eine lange Zeit friedliche Protestbewegung in Syrien mit brutalsten Mitteln unterdrückt hat. Und der Konflikt hätte weder so lange gedauert noch wäre er so blutig geworden oder hätte soviel Extremisten aus der ganzen Welt angezogen, wenn Russland Assad nicht an der Macht gehalten hätte, indem es ihn tatkräftig mit Waffen und anderer Hilfe unterstützte. Deshalb ist es auch eine Lüge, wenn Putin schreibt:
Wir beschützen nicht das syrische Regime, sondern das internationale Recht.
Das Gegenteil ist der Fall. Das internationale Recht lässt weder Assads brutales Vorgehen gegen die anfangs friedliche Protestbewegung zu, noch die von Assad angeordneten ethischen Säuberungen in den Alawiten-Gebieten oder die Kriegsverbrechen des Regimes an der Zivilbevölkerung in von den Rebellen gehaltenen Gebieten, die vielfach belegt sind. Russland ging es von Anfang an darum, das syrische Regime an der Macht zu halten und nicht etwa um die Wahrung internationalen Rechts.
Es gibt keine Zweifel, dass in Syrien Gas zum Einsatz kam. Aber es gibt viele Gründe anzunehmen, dass es nicht von der syrischen Armee eingesetzt wurde, sondern von Oppositionskräften, um das Eingreifen ihrer mächtigen ausländischen Patrone zu provozieren, die sich auf die Seite der Fundamentalisten stellen würden.
Das ist eine weitere dreiste Lüge. Einmal abgesehen davon, dass auch dem russischen Geheimdienst Belege für die Urheberschaft des syrischen Regimes vorliegen werden, braucht man gar keine geheimen Informationen, um zu dem Schluss zu kommen, dass Assads Truppen für den Einsatz von Giftgas in Damaskus verantwortlich sind. Dazu reicht es, öffentlich zugängliche Quellen auszuwerten oder selbst zu recherchieren, wie es etwa der Betreiber des Brown-Moses-Blog getan hat oder Human Rights Watch.
Es ist alarmierend, dass Militärintervention in interne Konflikte fremder Länder für die USA etwas ganz Normales geworden ist. Ist das in Amerikas langfristigem Interesse? Ich zweifele daran. Millionen in der ganzen Welt sehen Amerika nicht als Vorbild der Demokratie, sondern als ein Land, dass sich allein auf brutale Gewalt stützt und Koalitionen zusammensetzt unter dem Motto: ,ihr seid entweder für oder gegen uns'.
Rührend, wie Putin sich plötzlich sorgt um die langfristigen Interessen Amerikas – als wenn Putins Russland nicht alles daransetzen würde, diesen Interessen zu schaden. Das wirklich perfide aber ist, wie er Obamas Amerika gleichsetzt mit dem Amerika der Bush-Zeit nach 9/11, als der Slogan "ihr seid entweder für oder gegen uns" tatsächlich en vogue war.
Putin spielt da geschickt mit dem Unbehagen der linken Basis Obamas, denen der Präsident in mancher Hinsicht tatsächlich zu wenig pazifistisch ist. In Wirklichkeit hat Obama jedoch genau das gegenteilige Problem. Während Bush noch 43 Staaten vorweisen konnte, die bereit waren, mit ihm in den Irakkrieg zu ziehen, konnte Obama mit seinem Soft-Power-Ansatz bisher nur eine klitzekleine Koalition für ein Eingreifen in Syrien bewegen.
Und das, obwohl es ja gar nicht um einen umfassenden Krieg geht, sondern vielmehr um eine Strafaktion gegen Assads Regime. Das Problem des Präsidenten ist also eher, dass er zu nett ist und zu unentschlossen. Amerika hat unter Obamas Präsidentschaft und in manchen Teilen der Welt, etwa im Nahen Osten, ein Machtvakuum entstehen lassen, in das andere Staaten vorstoßen. Etwa auch Russland, wie sich in Syrien gut beobachten lässt.
In den Vereinigten Staaten ziehen viele einen Vergleich zwischen Irak und Syrien und fragen, warum ihre Regierung die Fehler der Vergangenheit wiederholen möchte.
Das zeigt, wie gut Putin und seine Leute die Debatte in den USA und die Kriegsmüdigkeit der US-Bürger analysiert haben und für russische Zwecke zu Nutzen gedenken. Tatsächlich ist der Vergleich mit dem Irak gänzlich unangebracht, weil Obama weder eine Intervention in den syrischen Bürgerkrieg plant noch etwa Bodentruppen schicken will, um das Land zu besetzen, sondern nur eine kurze Strafaktion geplant hatte.
Das sind jedoch Unterscheidungen, die auch bei vielen US-Bürgern nicht wirklich ankommen, die das diffuse Gefühl haben, nach Irak und Afghanistan nicht in noch einen Krieg in einem muslimischen Land verwickelt werden zu wollen. Indem Putin Irak und Syrien gleichsetzt, appelliert er an dieses diffuse Unbehagen der Amerikaner.
Ungeachtet wie gezielt die Schläge oder wie intelligent die Waffen, zivile Opfer sind unausweichlich, Alte und Kinder eingeschlossen, die durch diese Schläge eigentlich beschützt werden sollen.
Das sind Anmerkungen eines Mannes, der einst das tschetschenische Grosny dem Erdboden gleichmachen ließ (die UN hat Grosny damals "die am meisten zerstörte Stadt der Welt" genannt) und der in den vergangenen zwei Jahren keinerlei Bemühungen unternommen hat, seinen Klienten Assad zu mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu bewegen.
Und der stattdessen verhindert hat, dass der UN-Sicherheitsrat Assad wegen Kriegsverbrechen vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen konnte, um seine Kriegsverbrechen zu untersuchen und zu ahnden. Und den 100.000 Tote im syrischen Bürgerkrieg gänzlich kalt gelassen haben. Wie soll man diese vorauseilenden Krokodilstränen nennen? Chuzpe? Unverschämtheit?
Dann lobt Putin die neue Initiative zur Kontrolle syrischer Chemiewaffen und stellt in Aussicht, dass ein Erfolg in dieser Frage das gegenseitige Vertrauen zwischen Russland und den USA stärken würden. Danach dann wieder ein echter Putin:
Mein Arbeits- und persönliches Verhältnis mit Präsident Obama ist von wachsendem Vertrauen geprägt. Ich schätze das.
Das stimmt natürlich nicht. Aber das darf wohl als lässliches Flunkern im internationalen diplomatischen Geschäft gelten. Zuletzt beschäftigt sich Putin mit dem "American exceptionalism", der traditionellen Vorstellung der Amerikaner, ein besonderes, von Gott auserwähltes Volk zu sein.
Ich habe seine (Obamas) Rede an die Nation sorgfältig studiert. Und ich stimme nicht überein mit einem seiner Argumente zum "American Exceptionalism", als er sagte, es sei die Politik der Vereinigten Staaten, die Amerika zu etwas anderem macht. Was uns außergewöhnlich macht'. Es ist extrem gefährlich, Menschen dazu zu ermuntern, sich als etwas Außergewöhnliches zu sehen, was immer der Grund dafür ist. Es gibt große Länder und kleine Länder, reich und arm, manche mit langen demokratischen Traditionen und solche, die ihren Weg zur Demokratie noch suchen. Ihre Politikansätze unterscheiden sich auch voneinander. Wir sind alle unterschiedlich, aber wenn wir um den Segen Gottes bitten, dann sollten wir nicht vergessen, dass Gott uns gleich geschaffen hat.
Das ist eine Aussage, der sicher viele Europäer zustimmen können und auch viele Unterstützter Obamas aus dem linken Ostküstenestablishments, für das die "New York Times", in der der Meinungsbeitrag veröffentlicht wurde, steht. Es kommt daher wie eine aufgeklärte, postmoderne und quasi postnationale Position (auch wenn es viele Nationen auf dem Globus gibt, die sich für etwas besonderes halten).
Eine Aussage jedoch, die sehr verlogen klingt, wenn man bedenkt, dass Putin zu Hause seine ganz eigene nationalistische Metaphysik betreibt, die Überlegenheit der russischen Kultur gegenüber der westlichen Zivilisation predigt und den Segen und die Unterstützung der Kirche sucht für sein Projekt der nationalen Restauration.
Alles in allem ist Putins Beitrag ein Meisterwerk der Gegenpropaganda. Und es der offensichtliche Versuch eines Autokraten, die Offenheit der Debatte in einem demokratischen Land für seine eigenen Zwecke zu nutzen. Der Text zeigt, wie sorgfältig Russland die Diskussion in Amerika verfolgt, analysiert und die Schwachstellen Obamas identifiziert, um sie dann argumentativ für ihre eigenen Zwecke zu nutzen.