Dass ich die 1:12 Initiative idiotisch finde, heisst noch lange nicht, dass ich die masslosen Entschädigungen richtig finde. Sie ist einfach der falsche Weg, Firmen in eine Gesellschaft einzubetten und Leitplanken zu setzen.Dazu folgende praktische Ueberlegungen. Nehmen wir mal an, die Initiative würde Gesetz. Der tiefste Lohn in einer Firma wäre 50'000 p.a. und damit der höchste 600'000. Die Firma braucht einen neuen CEO. Es werden sich nun zweifellos viele Leute melden, die bereit sind, den Job für dieses Gehalt zu machen. Nehmen wir weiter an, durch ein asugeklügeltes Assessment wird eine zumindest potenziell fähige Person gefunden (z.B. ein Manager aus dem mittleren Management). Diese Person wird angestellt, bekommt ein on-the-job Training, vernetzt sich international und siehe, nicht zuletzt dank glücklicher äusserer Umstände, verbessern sich in den ersten 2 Jahren ihres Wirkens alle relevanten Kennzahlen seines Unternehmens. Headhunters (engl. vultures) sehen das und vermitteln ihm einen Job im Ausland für den doppelten Lohn. Effekt: die Schweizer Firma sucht wieder einen CEO, bildet ihn aus. Diesmal aber haben sie Pech, weil der unerfahrene Mann das Potenzial nicht und ein Jahr später wieder jemand zu finden ist. Sind das wünschenswerte Zustände?Bin auch der Meinung, dass die Neiddiskussion zu kurz greift. Jede Firma hat durch gesellschaftliche Normen gesetzte Randbedingungen. Diese bestehen neben Gesetzen auch in ethischen Werten einer Gesellschaft. Bsp. eine Schweizer Chemiefirma wird sich hüten, Material für Todesspritzen zu verkaufen, auch wenn es nicht illegal ist. In entwickelten Ländern regen sich mehr Konsumenten über die Batteriehaltung von Hühnern auf als in armen Ländern. In den USA ist es weniger verpönt viel Geld einzusacken als hier.Solche gesellschaftlichen "Normen" sind von Land zu Land verschieden und vor allem ändern sie auch mit der Zeit. In einer Demokratie (direkter oder indirekter) werden sich solche gesellschaftliche Anforderungen früher oder später in Gesetzen niederschlagen. Beispiele: Umweltgesetze, Steuergesetze, Arbeitsgesetze, Mitbestimmung der MA im Betrieb, Mindestlöhne (hier oft über GAV) usw. Bin klar der Meinung, dass solche Randbedingungen durch die Gesellschaft gesetzt werden müssen. Die 1:12 Initiative ist keine gescheite!Im Verlaufe eines gesellschaftlichen Wandels werden also mit der Zeit die Rahmenbedingungen für Firmen verändert. Die Folgen können sein, dass bei drastischen oder abrupten Aenderungen Firmen weggehen oder aber auch zuziehen (bspw. bei Steuererleichterungen).Der Stimmbürger muss sich eben der möglichen Konsequenzen bewusst sein und bereit sein, diese allenfalls zu tragen. Wir haben aber (naturgemäss) den Wunsch, den "Fünfer und das Weggli" haben zu wollen. "You can't have your cake and eat it, too"