Ein guter Bericht von Tim Schäfer
Journalist/Korrespondent
Ich schätze seinen Scheibstil und seine klare Strategie!
New York, Sonntag, 2. September 2012
Das dumme Geblubber über die Zukunft
Ich habe mithilfe der Zahl „Pi“ folgendes berechnet: Im Oktober 2014 wird die USA aufgrund der Überschuldung den Staatsbankrott erklären. Es wird zu einer weltweiten Finanzpanik kommen. Die Börse bricht um 50 Prozent ein. Im selben Jahr wird Japan den Staatsbankrott erklären.
Ich prognostiziere weiter: Dieses Jahr wird Griechenland aus dem Euro austreten. Israel und die USA bombardieren im Oktober die Atomanlagen im Iran. Es wird ein Krieg aus der Luft geführt. Der Ölpreis wird auf 180 Dollar je Fass steigen. Der DAX wird trotz des Kriegs bis Silvester auf 7.231 Punkte, der Dow-Jones-Index auf 13.912 klettern. Wollen Sie mehr Prognosen? Wahrscheinlich nicht. Warum? Weil es dummes Zeug ist.
Glauben Sie besser nicht an solche Prophezeiungen. Wenn Sie meinen, die Zukunft sei exakt vorhersehbar, irren Sie sich. Denn kein Mensch kann solche Vorhersagen machen, die dann alle eintreten werden.
In der Finanzwelt gibt es leider zu viele Märchenerzähler. Byron Wien, ein Manager von der New Yorker Private Equity-Firma Blackstone, erzählt den Menschen jedes Jahr, wie die Welt sich ändern wird. In den Medien wird der Herr als Wahrsager vergöttert. Mich wundert das. Ich habe mir mal seine alten Prophezeiungen angeschaut. Ich fand das ziemlich merkwürdig, was dieser Herr von sich gibt.
Die Menschen kleben an den Lippen solcher Leute. Das ist erstaunlich.
Martin Armstrong ist ein Analyst aus New Jersey, der sieben Jahre lang im Gefängnis saß, weil er angeblich ein Schneeballsystem betrieben haben soll. Armstrong sagt den Untergang der USA, von Japan und Europa voraus. Er warnt vor den astronomischen Staatsschulden. Er hat mit seinen frühzeitigen Warnungen vor möglichen Staatspleiten durchaus Respekt verdient.
Doch überschreiten solche Leute manchmal die Grenze ins Mystische. Da wird irgendwann ein heißes Zeug draus, exakte Daten werden genannt. Die Lage wird schlimmer beschrieben, als sie eigentlich ist. Armstrong ist ein Untergangsprophet.
Schauen Sie sich den Video-Ausschnitt aus der Dokumentation über die Finanzkrise mit Reden von Martin Armstrong an. Ich habe das Video an das Ende dieses Blogs gestellt. Achten Sie darauf, wie die Menschen diesem Armstrong an den Lippen kleben. Sie himmeln ihn an. Es ist bizarr.
Ich muss zugeben, Leute wie Byron Wien oder Armstrong sind hochintelligent. Nur übertreiben Sie es mit ihren exakten Vorhersagen.
Ich habe den Eindruck: Die Propheten wollen in die Rolle eines Genies oder eines Astrologen schlüpfen. Armstrong kommt mir vor wie Nostradamus.
Als Börsianer sollten Sie sich Ihre eigenen Gedanken machen. Hören Sie nicht auf solche Propheten. Auch sollten Sie skeptisch mit Analystenschätzungen umgehen. Was sollen diese ständigen Vergleiche, ob nun ein Unternehmen die Erwartungen um einen Cent übertroffen oder unterschritten hat. Im Endeffekt geben die Unternehmen oftmals den Analysten Hinweise im Vorfeld der Ergebnisveröffentlichung, wohin die Reise geht. Die Vorstände geben grob die Richtung vor, die Analysten verkünden nur Schnickschnack. All diese Quartalsvergleiche sind ohnehin die Zeit nicht wert. Achten Sie stattdessen auf langfristige Entwicklungen von Umsatz und Ertrag. Wenn Sie vor 20 Jahren Microsoft-Aktien gekauft haben, warum soll dieses eine Quartal für Sie eine Bedeutung haben?
Auch liegen reihenweise Volkswirte und Banker mit ihren Schätzungen daneben. Sie prognostizieren Aktienkurse, Index-Stände, Rohstoffpreise zum Zeitpunkt x. Das gleicht dem Blick in die Glaskugel. Vergessen Sie diesen Kram. Keiner kann so etwas mit Sicherheit bestimmen.
Die Zukunft hat immer Überraschungen parat. Denken Sie an Schwarze-Schwan-Ereignisse. Diese seltenen Katastrophen heißen deshalb so, weil mit ihnen keiner rechnet. Wenn jemand behauptet, eine konkrete potentielle Krise sei der nächste „Schwarze Schwan“, kann das schlicht nicht sein. Denn das Besondere ist eben, dass niemand ein solches Ereignis erwartet. Es kommt aus heiterem Himmel.
Einerseits gibt jene, die sagen während einer Krise den Untergang des gesamten Aktienmarktes voraus. Das tat gerade Anleihe-König Bill Gross, der „das Jahrhundert der Aktienkultur“ für beendet erklärt hat. Ich habe selten einen solchen Mist gelesen. Insbesondere in Krisenzeiten bieten sich herrliche Chancen am Aktienmarkt.
Andererseits gibt es Auguren, die sagen, wenn sich die Börse gerade in einem Dauerboom befindet, einen Dow-Jones-Stand von 36.000 Zählern voraus. Kurz nach solchen euphorischen Prognosen bricht häufig die Börse ein. Vergleichbares konnten Sie beim Häuser-Boom in den USA beobachten. Die Buchhandlungen waren vollgestopft mit Titel wie „Reich mit Immobilien“ oder „Kaufen und Schnell Verkaufen - Leitfaden zum Reichtum mit Häusern“.
Wir leben in einer Zeit, in der jeder alles Mögliche vorhergesagt bekommen mag. Dabei ist das Blödsinn. Die meisten „Experten“ liegen oft grandios daneben. Wenn die angeblichen Experten all das wüssten, was sie behaupten, zu wissen, wären sie steinreich und hätten sicherlich einen anderen Job.
Conclusio: Anstatt auf Propheten wie Armstrong zu hören, rate ich Ihnen, sich zu überlegen, wie grundsätzliche Entwicklungen aussehen könnten. So kann niemand gewisse Megatrends abstreiten. Wir wissen, die Weltbevölkerung wächst. Nahrungsmittel dürften daher knapper werden. Folglich machen vermutlich Traktorhersteller, Landwirte und Düngemittelhersteller langfristig ein gutes Geschäft. Aber man kann daraus doch nicht ableiten, was ein Pfund Kaffee oder Baumwolle sowie ein Fass Rohöl am 15. Dezember 2013 exakt kosten werden.
Ich kann Ihnen das Buch von Dan Gardner Future Babble (nur in Englisch verfügbar) - "Das Zukunfts-Geblubber" empfehlen. Der Autor ist ein waschechter Value-Investor. Gardner zeigt auf, was für einen Mist Finanzleute uns jeden Tag über die Zukunft erzählen.
In diesem Video ist der Prophet Martin Armstrong zu sehen, den seine Anhänger anhimmeln:
http://www.youtube.com/watch?v=c6u_QBoiJsQ