Artikel aus der NZZ
Seine Chancen stehen gut: Fritz Zurbrügg, Chef der Finanzverwaltung.
Thomas Moser, Mitglied des erweiterten Direktoriums der SNB.
Beatrice Weder di Mauro, Mitglied der deutschen Wirtschaftsweisen.
Serge Gaillard, Leiter der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft.
Thomas Jordan, Vize der Nationalbank, wird voraussichtlich Präsident. Fritz Zurbrügg, allseits gelobter Chef der Finanzverwaltung, könnte neu ins Direktorium gewählt werden. Von Daniel Hug und Stefan Bühler
Der abrupte Abgang von Philipp Hildebrand hat in der Führungstroika der Nationalbank zu einer ungeplanten Vakanz geführt - in einem schwierigen Moment, in dem der Euro gefährlich nahe an die Kursuntergrenze von Fr. 1.20 taumelt. In dieser Lage darf die Nationalbank nicht den leisesten Zweifel an ihrem geldpolitischen Kurs aufkommen lassen. Für Kenner der Nationalbank steht fest, dass Thomas Jordan mit grösster Wahrscheinlichkeit auf Hildebrand folgen wird: Er sei ein hervorragender Ökonom, intelligent, kompetent, erfahren, integer.
Körperlich ein Riese wie Hildebrand, pflegt Jordan jedoch den lei- sen, zurückhaltenden Auftritt. Der 48-jährige Sohn eines Richters aus Biel spricht bedächtig, denkt gründlich nach, bevor er sich äussert. Doch in der Sache ist er beharrlich, wie man bei seiner Mitwirkung in der Expertengruppe zur Regulierung der Grossbanken feststellen konnte. Erfolgreich setzte er sich für höhere Eigenmittelpuffer ein, damit die Banken widerstandsfähiger werden. Auch bei der Rettung der UBS war der Vater zweier Söhne an vorderster Front beteiligt: Jordan ist bis heute für den Stabilitätsfonds zuständig, in dem die Ramschpapiere der UBS verwaltet werden.
Das Duo ergänzte sich hervorragend: Während Hildebrand auf dem internationalen Parkett richtig aufblühte, ist Jordan der wissenschaftlich beschlagene Geldtheoretiker mit Habilitation, der alle mathematischen Modelle beherrscht und versteht, wie sie in der Praxis umzusetzen sind. Als Assistent des Berner Professors und Notenbankexperten Ernst Baltensperger erhielt er die essenziellen Grundlagen, an der Harvard University in den USA während dreier Jahre den Feinschliff. Möglicherweise neigt er eine Spur mehr zur Geldwertstabilität als der angelsächsisch geprägte Hildebrand. «Jordan ist eher der Typ, der sich gründlich in die Akten einliest und jedes Detail kennen will», beschreibt ihn jemand, der mit ihm gearbeitet hat.
Neben dem Präsidenten sollte auch der frei gewordene Sitz im Direktorium rasch besetzt werden. Dabei gilt es zu beachten, dass das Profil in die Konstellation der beiden bisherigen Direktoren, Thomas Jordan und Jean-Pierre Danthine, passt. Das Direktorium entscheidet häufig einstimmig. «Man versucht, sich in Diskussionen stets auf einen Konsens hin zu bewegen», erklärt ein SNB-Kadermann.
Der Bankrat will bis Ende nächster Woche das Anforderungsprofil definiert und eine Liste möglicher Kandidaten zusammengestellt haben. Das Feld ist noch weit offen, viele Namen zirkulieren. Als Favorit unter den möglichen Kandidaten hat sich bei der Recherche der «NZZ am Sonntag» bisher Fritz Zurbrügg herausgeschält: Er steht seit knapp zwei Jahren als Direktor an der Spitze der eidgenössischen Finanzverwaltung in Bern. Mehrmals jährlich trifft er sich mit der Spitze der SNB zum Gespräch über Geldpolitik. Man diskutiert die jüngsten Entscheide der SNB und analysiert die Konjunkturprognosen. Auch bei der Euro-Krise ist Zurbrügg in die Analyse und die Vorbereitung allfälliger Massnahmen des Bundes und den Austausch mit der SNB involviert. Dabei kann er sich auf seine Erfahrungen abstützen, die er von 1998 bis 2006 zuerst als Senior Advisor und dann als Exekutivdirektor der Schweizer Stimmrechtsgruppe beim Internationalen Währungsfonds (IMF) in Washington gesammelt hat.
Mit seinem Wissen und seiner Art aufzutreten hat sich der parteilose Zurbrügg in den letzten zwei Jahren einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Er wird von Finanzpolitikern aller politischen Richtungen gelobt: «Zurbrügg hat sich rasch und gut eingearbeitet, er ist gründlich und sicher in den Dossiers», sagt Ständeratspräsident Hans Altherr (fdp.). SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen, Präsidentin der Finanzkommission der letzten zwei Jahre, beschreibt Zurbrügg als «ausserordentlich kompetent, total integer, sehr umgänglich». SVP-Ständerat Hannes Germann lobt Zurbrüggs «typisch schweizerische Bescheidenheit, die dem Direktorium der SNB sicher guttäte». Auch der freisinnige Pankraz Freitag, der bis 2011 der ständerätlichen Finanzkommission vorstand, findet lobende Worte: Zurbrügg sei «gewissenhaft, loyal und fachlich stark».
Zu den Kandidaten, die immer wieder genannt werden, zählt Beatrice Weder di Mauro: Die Wirtschaftsprofessorin an der Universität Mainz gehört zu den fünf Wirtschaftsweisen, welche die deutsche Bundesregierung in Wirtschaftsfragen beraten. Ihr Mann arbeitet allerdings als Ökonom in der Europäischen Zentralbank, was zu Interessenkonflikten führen könnte.
Auch Serge Gaillard, Leiter der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft, zählt zu den möglichen Kandidaten. Als ehemaliger Chefökonom des Gewerkschaftsbundes sass er bereits im Bankrat der SNB; zuvor arbeitete er für die Konjunkturforschungsstelle KOF an der ETH.
Chancen haben auch die internen Kandidaten der Nationalbank. Dazu zählt etwa Thomas Moser. Er amtierte von 2006 bis 2009 als Exekutivdirektor der Schweizer Stimmrechtsgruppe beim IMF in Washington - und ist heute Mitglied des erweiterten Direktoriums. Als kompetenter Ökonom gilt auch Dewet Moser, der ab 1997 das Risikomanagement der Nationalbank aufgebaut hat und heute den Bereich Finanzmärkte leitet. Dabei ist er für die Umsetzung der Geldpolitik, den Geldmarkt und Devisenhandel zuständig. Der Bundesrat will bis im April entscheiden, wer den Sprung ins Direktorium schafft.
Quelle: NZZ