Eigentlich schon unglaublich dieses Theater das hier von den US Politiker abgezogen wird. Ein reines Machtspiel auf Kosten anderer und schlussendlich der Wirtschaft. Ich würde es ja verstehen wenn dies ein unvorhersehbarer Event gewesen wäre und sie daher etwas mehr Zeit bräuchten. Aber eigentlich wäre die Schuldenobergrenze ja schon im Mai dieses Jahres überschritten worden. Damals wurde es umgangen mit "Special Measures" und einfach mal aufgeschoben. Wieso zum Henker konnten sich die beiden Lager nicht vorher schon darüber streiten und eine Entscheidung fällen. Da Standpunkte waren ja die selben :roll:
Hier noch ein Artikel aus der NZZ am Sonntag mit dem weiteren Terminplan und den möglichen Folgen.
Spiel mit dem Feuer
Nach dem Zahlungsstopp für die Regierung könnte sich die Lage weiter zuspitzen: Was die Folgen sind, wenn die USA die Schuldenobergrenze nicht erhöhen.
Die drastischsten Prognosen kommen ausgerechnet aus dem Finanzministerium in Washington. Für den Fall, dass der Kongress bis zum 17. Oktober nicht die Erlaubnis erteilt, die Schulden zu erhöhen, wird in einer Erklärung Schlimmstes prophezeit: «Kreditmärkte könnten einfrieren, der Dollar könnte abstürzen, Zinsen in den USA in die Höhe schiessen.» Als wolle er Panik schüren, lancierte auch Präsident Barack Obama im Börsensender CNBC eine Warnung: «Diesmal sollte die Wall Street besorgt sein.»
Der Versuch, mit der Beschreibung negativer Szenarien den Druck auf den politischen Gegner zu erhöhen, ist ein höchst riskantes Spiel. Normalerweise versuchen Regierungen in Krisensituationen, ihr Volk zu beruhigen. Obama tut das Gegenteil: Er nimmt die Finanzmärkte in Geiselhaft.
Notorische Schwarzmaler wie der New Yorker Star-Ökonom Nouriel Roubini sind dagegen auffällig optimistisch. Seine Mitarbeiterin Prajakta Bhide erklärt im Gespräch, man rechne mit einer kombinierten Lösung: Regierung und Kongress würden gleichzeitig die Schuldenobergrenze anheben und den derzeitigen Shutdown, also den Zahlungsstopp für die Regierung, beseitigen.
Es wirkt, als könnten die professionellen Beobachter schlicht nicht glauben, dass eine überschaubare Zahl von Politikern ihr Land und damit die Weltwirtschaft in die Krise stürzt. Allerdings hat sie die Atmosphäre der Unversöhnlichkeit in den letzten Tagen nachdenklich gemacht. «In den vorherigen Schuldengrenzendebatten war ich immer hundertprozentig von einer Einigung überzeugt», sagt etwa Finanzprofessor Alfred Mettler von der Georgia State University, der am 11. November beim Europa-Forum Luzern auftritt. «Jetzt gilt das nur noch zu 95%.»
Ein Überblick über Fakten und Aussichten.
[COLOR= #008000]Die gegenwärtige Situation[/COLOR]
Seit dem 1. Oktober befinden sich 818 000 von 2,9 Mio. Staatsangestellten im Zwangsurlaub. Zu dem Shutdown ist es gekommen, weil sich der Kongress nicht auf ein Budget für den nächsten Haushalt einigen konnte. Unentbehrliche Tätigkeiten werden fortgesetzt. Im Bereich der Altenpflege etwa war zunächst vorgesehen, nur 4% der Beschäftigten nach Hause zu schicken. Dafür ist selbst die Aussenpolitik beeinträchtigt: Die für die Umsetzung der Sanktionen gegen Iran und Syrien zuständige Abteilung im Finanzministerium ist fast verwaist. Bei vorhergehenden Shutdowns (zuletzt 1995) entschied der Kongress im Nachhinein, die ausgebliebenen Lohnzahlungen nachzuholen. Eine Garantie dafür gibt es allerdings nicht.
Die Investmentbank Goldman Sachs schätzt, dass ein Shutdown von einer Woche das Bruttoinlandprodukt um 0,3% mindert. Andreas Busch vom Vermögensverwalter Bantleon beziffert den Effekt lediglich auf 0,1 bis 0,2% pro Woche, fürchtet aber, dass die Quote mit der Zeit steigen würde. Je länger der Shutdown dauere, desto stärker beeinträchtige er auch private Firmen, die etwa als Zulieferer für Staatsbehörden tätig seien.
Am 17. Oktober hat das Finanzministerium nach eigenen Angaben nur noch 30 Mrd. $ zur Verfügung. Bis zu diesem Tag muss somit die Schuldenobergrenze angehoben werden, sonst drohen Zahlungsausfälle und im Extremfall (wenn Washington Zinszahlungen auf Anleihen verweigert) der Staatsbankrott.
[COLOR= #008000]Chancen zur Einigung bis zum 17. 10.[/COLOR]
Der letzte Showdown könnte Hoffnung machen: Bis zur Silvesternacht 2012/2013 standen sich Demokraten und Republikaner ebenfalls unversöhnlich gegenüber, als die Schuldenobergrenze verschoben werden musste. In den letzten Stunden kam es plötzlich zur Einigung. Doch damals war die Debatte noch nicht - wie jetzt - direkt mit Obamas Gesundheitsreform verknüpft.
Kenneth Rogoff, ehemaliger Chefökonom beim Internationalen Währungsfonds, hat ein Standardwerk über Finanzkrisen geschrieben. Das derzeitige Debakel macht selbst ihn ratlos. Er warnt im Gespräch vor «versteckten Risiken», falls die Anhebung nicht rechtzeitig gelinge, «das internationale Finanzsystem ist kompliziert». Rogoff schliesst ein Scheitern nicht aus. Die Republikaner befänden sich «in einer Art Bürgerkrieg mit sich selbst», Obama müsse um sein politisches Erbe fürchten. «Wenn er nachgibt, schwächt er auch künftige Präsidenten. Er muss also das Präsidentenamt an sich beschützen.»
Der Zahlungsausfall gilt zwar nicht als wahrscheinlichstes Szenario. Trotzdem haben Banken und Vermögensverwalter intern bereits dessen Auswirkungen prognostiziert.
[COLOR= #FF0000]Wenn keine Einigung gelingt?[/COLOR]
Die gesellschaftlichen Folgen wären spätestens Anfang November verheerend. Am Monatsbeginn werden Sozialhilfezahlungen und Pensionen fällig. Die Zahlungen wären laut Experten höchstens noch teilweise möglich. Behörden müssten selektiv geschlossen werden. Der Schaden für die Gesamtwirtschaft wäre nicht mehr in Zehntel-Prozentpunkten messbar. «Die Wirtschaft würde schnell wieder in die Rezession zurückfallen», sagt Mark Zandi, Chefökonom von Moody's Analytics. Auch weil Konsumenten und Unternehmen seiner Ansicht nach in eine Art Schockstarre verfallen würden. Der Einbruch würde sich auf Europa übertragen.
Höchst theoretisch wäre denkbar, dass sich die Regierung über das Verbot, neue Schulden aufzunehmen, hinwegsetzt. Im heutigen politischen Klima ist nicht auszuschliessen, dass die Opposition darauf mit dem Versuch eines Amtsenthebungsverfahrens reagieren würde.
Zumindest in den ersten Tagen nach dem 17. Oktober wäre noch kein Ausfall von Zinszahlungen zu befürchten. Zwar lässt das Finanzministerium derzeit verlauten, bei der Begleichung von Verbindlichkeiten kaum Prioritäten setzen zu können, was bedeuten würde, dass der Bankrott eine Frage der Zeit ist. Experten bewerten das jedoch als taktische Aussage im politischen Tauziehen. «Der Spielraum ist relativ gross», sagt etwa Bantleon-Experte Busch.
Reaktion der Rating-Agenturen
Die Rating-Agentur Fitch bewertet die Bonität der USA derzeit noch mit der Höchstnote AAA. Für den Fall, dass die Schuldenobergrenze nicht rechtzeitig angehoben wird, hat sie allerdings eine offizielle Überprüfung der Note angekündigt. Standard & Poor's hat dem Land die Bestnote bereits 2011 entzogen und würde jetzt eine weitere, deutliche Herabstufung vornehmen, falls Washington seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt.
Folgen für Anleihen
Bei wohl jeder anderen Anleihe der Welt hätte eine Herabstufung durch Fitch und S&P gravierende Folgen. Viele Pensionskassen und Fonds in aller Welt sind an Regeln gebunden, nur Papiere halten zu dürfen, die zumindest von einer Rating-Agentur mit der Höchstnote bewertet werden, weshalb Kurse unmittelbar nach Herabstufungen abstürzen. Falls dies im Falle von US-Staatsanleihen passieren würde, käme die Struktur des Finanzsystems ins Wanken, die seit Jahrzehnten auf der Gewissheit basiert, dass «Treasuries» risikolos sind. Von deren Bewertung hängt die Bewertung unzähliger weiterer Papiere ab.
Bantleon rechnet aus einem einleuchtenden Grund nicht mit einer solchen Kernschmelze: Es gibt schlicht zu viele US-Staatsanleihen. «Theoretisch könnten Fondsmanager nach einer Herabstufung zu Verkäufen gezwungen sein», sagt Busch. «Aus Mangel an Alternativen wird das jedoch kaum passieren.» Eher, so scheint es, würden nötigenfalls die Regeln geändert.
Der weltgrösste Anleihen-verwalter Pimco stellt sich laut neuen Überlegungen sogar auf einen Effekt ein, den ihr Fondsmanager Josh Thimons selbst als «pervers» bezeichnet: US-Staatsanleihen würden, wie bereits nach der Herabstufung 2011, nicht einbrechen, sondern sogar an Wert gewinnen. Seine Überlegung: In der Krise flüchten Anleger in Vermögenswerte, die traditionell als risikolos gelten.
[COLOR= #FF0000]Folgen für andere Märkte[/COLOR]
Dafür rechnet Thimons im Falle eines Zahlungsausfalls mit deutlichen Wertverlusten auf den Aktienmärkten - nicht nur in den USA, sondern global. Eine Referenz sei der Einbruch um 13% bei US-Aktien im August 2011 (siehe dazu mein Posting mit dem Dow Jones Chart vom August 2011) nach der Herabstufung. Auch andere Anleihen, etwa im Unternehmensbereich, würden laut seiner Einschätzung in der Phase von Konfusion und Angst ins Trudeln geraten.
Langfristige Perspektive
Angesichts des politischen Lärms gerät in Vergessenheit, dass die USA bereits weitreichende Massnahmen ergriffen haben, das Schuldenproblem in den Griff zu bekommen. Das jährliche Haushaltsdefizit ist deutlich tiefer als 2011. Harvard-Professor Rogoff hält angesichts steigender Ausgaben im Sozial- und Gesundheitsbereich weitere Reformen für unabdingbar - allerdings nicht sofort: «Es ist gerade noch kein dringendes Problem.» Erst in ein bis zwei Jahrzehnten wäre die Tragfähigkeit des Systems in Gefahr, sagt er. Verheerend wäre Rogoffs Meinung nach, im Sinne einer sofortigen Konsolidierung Ausgaben zu kürzen: «Das würde die Wirtschaft abwürgen.»
Auch Zandi, Chefökonom von Moody's Analytics, sieht keinen unmittelbaren Reformdruck. «Die Politiker haben schon eine Menge gemacht», sagt er. «Jetzt müssen sie eigentlich nur noch die Schuldengrenze anheben.» Dann sagt er einen Satz, der die Stimmungslage vieler perfekt auf den Punkt bringt: «Ich würde den Politikern raten, einfach nur aus dem Weg zu gehen.»
Quelle: NZZ am Sonntag, Von Sebastian Bräuer und Kim Bode (New York)