Okay, ich gebe zu, dass ich den Wiki-Link auf das Semco System nicht beachtet habe.
Ich masse mir auch nicht an, anzuzweifeln, dass diese Firma erfolgreich ist. Ich meine aber, dass es doch einige spezielle Umstände gibt (Geschichte aus bras. Wirtschaftskrise, charismatischer Gründer etc.). Der Erfolg der Firma könnte aber auch massgeblich auf exogene Faktoren (Wirtschaftsaufschwung BR) zurückzuführen sein.
Ohne zunächst mal auf einzelne Spezialitäten einzugehen, habe ich Mühe mit der Grundidee, dass alles ohne Autoritäten von oben, sondern allein durch "Kollegendruck" (peer pressure) funktionieren soll: Keiner genehmigt sich zuviel Lohn, macht schluddrige Arbeit, liest zuviel Zeitung, fliegt First Class etc. Ich persönlich könnte in einer solchen Umgebung sehr schlecht arbeiten, müsste ich mir doch immer vorstellen, dass ein paar Neider (ich verdiene ein paar Hunderter mehr als die) jede meiner Bewegungen merken und ich mich dann bei der nächsten Vollversammlung rechtfertigen muss.
Das System funktioniert offensichtlich, so dass alle, die sich diesem Gruppendruck nicht einordnen können, früher oder später "freiwillig" ausscheiden. Ob dann die übrigbleibenden , angepassten Mustermitarbeiter die Firma weiterbringen, wage ich zu bezweifeln (ich muss mich fest zusammennehmen, hier nicht den Begriff "Gutmenschen" reinzubringen).
Ich bringe noch ein Beispiel zum Thema Kontrolle: Wir hatten geleitende Arbeitszeit mit Stempeluhr (alle Hierarchiestufen). Im Rahmen der Mitwirkung wurde dann mal diskutiert, ob man die Stempeluhr abschaffen soll. Ausnahmslos alle MA waren dagegen und zwar mit folgenden Hauptargumenten
- "ich gehe immer um 4 Uhr, der Chef und andere MA um 6 oder später. Was die wohl denken, die wissen ja nicht, dass ich schon um 6.30 da bin"
- "bei unregelmässigen Arbeitszeiten (ich gehe zur Arbeit, wann ich ausgeschlafen habe, muss ich selbst Buch führen, damit ich nicht zu lange in der Bude bleibe.
Als Chef war ich natürlich froh, dass die Präsenzzeiten nie ein Thema waren und MA-Gespräche sich auf Ziele konzentrieren konnten.
Nun zu einigen Punkten aus dem Wiki Artikel:
Bosse
Mit der zunehmenden Demokratisierung der Arbeit sank der Bedarf an nötigen „Aufsehern" und wurde deren Zahl reduziert. Dies nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Verwaltung resp. bei Rechtsberatung, Buchhaltung und Marketing. Unter anderem wurden die Abteilungen Datenverarbeitung, Ausbildung und Qualitätskontrolle gänzlich abgeschafft, aber auch Speisesäle für leitende Angestellte oder reservierte Parkplätze.
Die Abschaffung der IT-Abteilung heisst also, dass z.B. jede Gruppe ihr SAP-Know How aufbaut, einen PC-Doktor hat etc. Wie schaffen die eine ISO 9000 Zertifizierung ohne QA-Abt. Natürlich kann man alles dezentralisieren, aber wo bleibt Effizienz/Kompetenz? Den reservierten Parkplatz habe ich geschätzt, gebe ich zu, aber ich dachte immer, dass dies für die Firma billiger sei als mehr Lohn.
Demokratie
Die repräsentative Demokratie im Unternehmen ist durch Werkskomitees und die Managerbewertungen stark verankert, bei wichtigen Entscheidungen, beispielsweise Werksverlegungen stimmen alle Mitarbeiter mit.
Damit alle eine begründete Meinung (z.B. neues Werk in Indien) haben und sinnvoll abstimmen können, braucht es einen riesigen Infoaufwand. Können und wollen alle MA dies über sich ergehen lassen? Diese Diskussion dringt mit Sicherheit auch an die Oeffentlichkeit. Dies Info dürfte für die Konkurrenz von grossem Wert sein.
Fertigungszellen
Arbeitplätze am Fließband wurden abgeschafft oder bei Betriebserweiterungen gar nicht erst eingeführt. Die Mitarbeiter stellen die Geräte komplett in Gruppenarbeit her, etwa eine ganze Waage, Geschirrspülmaschine, Mischmaschine oder ein andere Maschine der Erzeugungspalette. Das führt zu mehr Selbständigkeit und Verantwortung, das „macht sie glücklicher und unsere Produkte besser".[5] Die Fabrikarbeiter beherrschen mehrere Fachgebiete (beispielsweise Elektriker und Schlosser) und dürfen Rohmaterialien und Einzelteile selbst bei den Zulieferern einkaufen. Die Produktionsquoten werden oft von den Mitarbeitern selbst festgesetzt und sie entwickeln Verbesserungen ohne ein Bonifikationssystem.
Fertigungszellen = Schnee von gestern. Facharbeiter beherrschen mehrere Fachgebiete = reines Wunschdenken.Die Facharbeiter kaufen selbst ein: Freut die Zulieferer, da kein Mengenrabatt gegeben werden muss und diese Arbeiter vermutlich auch kein globales Sourcing betreiben.
Gewinnbeteiligung
Ein Viertel der Unternehmensgewinne wird an die „Arbeiter"[6] ausbezahlt, die selbst demokratisch bestimmen, wer wieviele Anteile erhält.
Da möchte ich mal dabei sein, wenn das diskutiert wird. Kommt dann der Jorge nach Hause und gesteht seiner Frau, dass er dafür gestimmt habe, dass der Nachbar eine grössere Gewinnbeteiligung erhalte als er. :twisted:
Hilfspersonal [bearbeiten]
Unbeliebte Jobs ohne Aufstiegschancen wurden bei Semco abgeschafft, so etwa sämtliche Empfangsdamen, Sekretärinnen und persönliche Assistenten. Wer einen Kaffee oder frischen Fruchtsaft haben will, holt ihn sich selber und wäscht auch danach das Geschirr ab. Briefe und Berichte werden selbst getippt, Kopien selbst erstellt und Besucher selbst abgeholt.
Immer das gleiche Thema: Jeder kann und macht alles, ob effizient/kompetent spielt keine Rolle. Hauptsache demokratisch. Chef reinigt die Toiletten (cool, muss er zuhause auch
![Big grin :D :D](data:image/gif;base64,R0lGODlhAQABAIAAAAAAAP///yH5BAEAAAAALAAAAAABAAEAAAIBRAA7)
). Am Empfang statt Dame ein Telephon, Kunden sind begeistert. Briefe und Berichte werden selbst getippt. Alle Schlosser/Elektriker können wie oben beschrieben alles. Sie lieben Korrspondenz, da portugiesisch so einfach ist! Kopieren kann heute tatsächlich jeder selbst.
Soweit mein Kommentar. Bin natürlich gerne bereit, auch zu andern Punkten meinen Senf dazuzugeben. Einige Punkte sind auch anderswo realisiert. Wer gegen Organigramme ist, lese den Klassiker "In Search of Excellence")