Rohstoffabhängigkeit ist bei Schwellenländern entscheidend
Nicht alles, was billig ist, sollte man kaufen - einiges aber schon. Das gilt auch für Kapitalanlagen aus Schwellenländern.
Das Zauberwort Emerging Markets hat im letzten Jahr an Glanz verloren. Investoren haben sowohl mit Anleihen als auch mit Aktien Geld verloren. Der entsprechende Aktienindex (MSCI Emerging Markets) fiel um 5% - der MSCI World Index stieg im selben Zeitraum hingegen um 24%. Laut Bloomberg ist dies die grösste Differenz seit 15 Jahren (in $).
Seit Beginn des Jahres sind weitere minus 3 Prozentpunkte dazugekommen (siehe Grafik). In der Dekade vor 2012 hatte die Welt noch anders ausgesehen: Einer Aktienperformance von 69% in den Industrieländern hatte eine von 261% an den Börsen der Schwellenländer entgegengestanden. Die Schwellenländer bescherten Investoren nicht zuletzt in der Finanzkrise überdurchschnittliche Erträge.
Doch 2013 kehrte der Wind: Lokalwährungen verloren an Wert, das Wirtschaftswachstum verlangsamte sich, öffentliche Schulden stiegen an. Die Kreditwürdigkeit vieler Schwellenländer, seit 2004 stetig besser geworden, stagniert. Grund genug für diverse Banken, Anlegern zu empfehlen, 2014 die Hände von Schwellenländer-Anlagen zu lassen. Die Deutsche Bank prognostiziert, dass Schwellenländer-Aktien den Titeln von Industrieländern um 10% hinterherhinken werden. Dies obwohl die Anlageklasse als Ganzes mittlerweile billig ist, stützt man auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis ab (siehe Grafik).
Doch soll unbesehen gekauft werden, was günstig ist? Nein, sagen Strategen wie Martin Jetzer von Bellecapital. «Die Bewertung darf nie das alleinige Kriterium sein, vor allem dann nicht, wenn es unaufhörlich aufgetischt wird.» Mehr aber stört Jetzer, dass Schwellenländer immer noch als eine einzige Anlageklasse definiert werden. «Dazu sind sie viel zu heterogen.» In der Tat: Abgesehen von einem tieferen Pro-Kopf-Einkommen als in Europa oder in den USA fehlen Gemeinsamkeiten. Insbesondere bei den Bric-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) scheint die Zeit mehr als reif, diese Länder im Portefeuille als eigenständige Anlagen zu klassifizieren. Lionel Bernard vom französischen Vermögensverwalter Amundi ist ein Fan von Schwellenländern, vor allem von Südamerika, wo er viele Jahre gelebt hat. Trotzdem teilt der Franzose die Sicht von Jetzer. Selbst er glaubt, dass die Gesamtheit der Emerging Markets bis Mitte Jahr anderen Börsenplätzen hinterherlaufen könnten. «Gehen Anleger selektiv vor, gibt es aber bereits jetzt Einstiegschancen.» Der durchschnittliche Discount der Schwellenländer im Vergleich zu Industrieländern liegt bei 25 bis 30%, obwohl sie sich in viel besserem makroökonomischem Zustand befänden als die hoch verschuldeten Industrieländer.
Auch Bernard plädiert dafür, Land für Land gesondert zu analysieren. Und dabei Handelsbilanz, Rohstoffabhängigkeit und Landeswährung besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Länder wie Südafrika, Chile und Brasilien, die von Rohstoffen abhängen, werden laut Bernard vorerst schwächeln. Nicht so Mexiko: «Das Land ist komplett unabhängig von Rohstoffen.» Der südliche Nachbar der USA profitiere zudem von Reformen und der aufgehellten Konjunktur Amerikas. Auch Indien und die Philippinen empfiehlt der Franzose aus struktureller Sicht. In vielen Ländern, so in Thailand, Brasilien, Kolumbien und auch in Indien, stünden Wahlen an. Für Bernard eine Chance: «Zum Beispiel für Indien. Das Land braucht Reformen. Kommen diese, hellt sich das Bild stark auf.»
Aus Sicht von Schweizer Investoren sind bei Investitionen in Schwellenländer die Lokalwährungen ein permanentes Risiko. Verschiedene Lokalwährungen, die sich zu stark aufgewertet hatten, haben mittlerweile korrigiert. Die Rupie Indiens beispielsweise gilt zurzeit als unterbewertet. Der südafrikanische Rand steht auf einem Fünfjahrestief. Die Exportindustrie solcher Länder profitiert davon. Aus diesem Grunde setzt Bruno Gisler, Chefökonom der Aquila, aus makroökonomischer Sicht nebst Mexiko auf Nationen wie Korea, Taiwan, Polen. «Diese können auf ihre Exporte bauen und von der anziehenden Weltkonjunktur profitieren.» Gisler empfiehlt, wegen Rendite und Diversifikation in den Wachstumsregionen investiert zu bleiben, wenn auch mit wenigen Prozent des Vermögens.
Anleger mit einem kleinen Budget sind mit Fonds oder ETF auf einzelne Länder oder Regionen gut bedient. Wer etwas mehr Kapital hat, kann es wagen, gute Firmen direkt zu kaufen. Bernard nennt für Lateinamerika vier Firmen: Die zwei brasilianischen Papierhersteller Suzano und Klabin sowie die Bank Inbursa und den Tortilla-Hersteller Gruma aus Mexiko. Alle vier hat Bernard in seinem Fonds selbst übergewichtet.
Quelle: NZZ am Sonntag, Charlotte Jacquemart
Nicht alles, was billig ist, sollte man kaufen - einiges aber schon. Das gilt auch für Kapitalanlagen aus Schwellenländern.
Das Zauberwort Emerging Markets hat im letzten Jahr an Glanz verloren. Investoren haben sowohl mit Anleihen als auch mit Aktien Geld verloren. Der entsprechende Aktienindex (MSCI Emerging Markets) fiel um 5% - der MSCI World Index stieg im selben Zeitraum hingegen um 24%. Laut Bloomberg ist dies die grösste Differenz seit 15 Jahren (in $).
Seit Beginn des Jahres sind weitere minus 3 Prozentpunkte dazugekommen (siehe Grafik). In der Dekade vor 2012 hatte die Welt noch anders ausgesehen: Einer Aktienperformance von 69% in den Industrieländern hatte eine von 261% an den Börsen der Schwellenländer entgegengestanden. Die Schwellenländer bescherten Investoren nicht zuletzt in der Finanzkrise überdurchschnittliche Erträge.
Doch 2013 kehrte der Wind: Lokalwährungen verloren an Wert, das Wirtschaftswachstum verlangsamte sich, öffentliche Schulden stiegen an. Die Kreditwürdigkeit vieler Schwellenländer, seit 2004 stetig besser geworden, stagniert. Grund genug für diverse Banken, Anlegern zu empfehlen, 2014 die Hände von Schwellenländer-Anlagen zu lassen. Die Deutsche Bank prognostiziert, dass Schwellenländer-Aktien den Titeln von Industrieländern um 10% hinterherhinken werden. Dies obwohl die Anlageklasse als Ganzes mittlerweile billig ist, stützt man auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis ab (siehe Grafik).
Doch soll unbesehen gekauft werden, was günstig ist? Nein, sagen Strategen wie Martin Jetzer von Bellecapital. «Die Bewertung darf nie das alleinige Kriterium sein, vor allem dann nicht, wenn es unaufhörlich aufgetischt wird.» Mehr aber stört Jetzer, dass Schwellenländer immer noch als eine einzige Anlageklasse definiert werden. «Dazu sind sie viel zu heterogen.» In der Tat: Abgesehen von einem tieferen Pro-Kopf-Einkommen als in Europa oder in den USA fehlen Gemeinsamkeiten. Insbesondere bei den Bric-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) scheint die Zeit mehr als reif, diese Länder im Portefeuille als eigenständige Anlagen zu klassifizieren. Lionel Bernard vom französischen Vermögensverwalter Amundi ist ein Fan von Schwellenländern, vor allem von Südamerika, wo er viele Jahre gelebt hat. Trotzdem teilt der Franzose die Sicht von Jetzer. Selbst er glaubt, dass die Gesamtheit der Emerging Markets bis Mitte Jahr anderen Börsenplätzen hinterherlaufen könnten. «Gehen Anleger selektiv vor, gibt es aber bereits jetzt Einstiegschancen.» Der durchschnittliche Discount der Schwellenländer im Vergleich zu Industrieländern liegt bei 25 bis 30%, obwohl sie sich in viel besserem makroökonomischem Zustand befänden als die hoch verschuldeten Industrieländer.
Auch Bernard plädiert dafür, Land für Land gesondert zu analysieren. Und dabei Handelsbilanz, Rohstoffabhängigkeit und Landeswährung besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Länder wie Südafrika, Chile und Brasilien, die von Rohstoffen abhängen, werden laut Bernard vorerst schwächeln. Nicht so Mexiko: «Das Land ist komplett unabhängig von Rohstoffen.» Der südliche Nachbar der USA profitiere zudem von Reformen und der aufgehellten Konjunktur Amerikas. Auch Indien und die Philippinen empfiehlt der Franzose aus struktureller Sicht. In vielen Ländern, so in Thailand, Brasilien, Kolumbien und auch in Indien, stünden Wahlen an. Für Bernard eine Chance: «Zum Beispiel für Indien. Das Land braucht Reformen. Kommen diese, hellt sich das Bild stark auf.»
Aus Sicht von Schweizer Investoren sind bei Investitionen in Schwellenländer die Lokalwährungen ein permanentes Risiko. Verschiedene Lokalwährungen, die sich zu stark aufgewertet hatten, haben mittlerweile korrigiert. Die Rupie Indiens beispielsweise gilt zurzeit als unterbewertet. Der südafrikanische Rand steht auf einem Fünfjahrestief. Die Exportindustrie solcher Länder profitiert davon. Aus diesem Grunde setzt Bruno Gisler, Chefökonom der Aquila, aus makroökonomischer Sicht nebst Mexiko auf Nationen wie Korea, Taiwan, Polen. «Diese können auf ihre Exporte bauen und von der anziehenden Weltkonjunktur profitieren.» Gisler empfiehlt, wegen Rendite und Diversifikation in den Wachstumsregionen investiert zu bleiben, wenn auch mit wenigen Prozent des Vermögens.
Anleger mit einem kleinen Budget sind mit Fonds oder ETF auf einzelne Länder oder Regionen gut bedient. Wer etwas mehr Kapital hat, kann es wagen, gute Firmen direkt zu kaufen. Bernard nennt für Lateinamerika vier Firmen: Die zwei brasilianischen Papierhersteller Suzano und Klabin sowie die Bank Inbursa und den Tortilla-Hersteller Gruma aus Mexiko. Alle vier hat Bernard in seinem Fonds selbst übergewichtet.
Quelle: NZZ am Sonntag, Charlotte Jacquemart